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Dom Rätselraten nach Diebstahl

Nach dem Diebstahl einer Heiligen Lanze aus dem Magdeburger Dom tappen die Ermittler noch im Dunkeln. Es gibt weder Hinweise noch ein Motiv.

Von Rainer Schweingel 26.03.2016, 01:00

Magdeburg l Der Diebstahl war am Donnerstagvormittag entdeckt worden. Domküster Uwe Jahn war bei Reinungsarbeiten in Hohen Chor der Kathedrale stutzig geworden. Dort, wo seit Jahren auf einem Holzstab die etwa zwei Meter große Lanze mit dem aufgesetzten Metallspieß steht, befand sich nur noch der Sockel mit dem Stiel ohne Spitze und einer Schnittkante am oberen Ende „Ich musste erst zweimal hinsehen und konnte es gar nicht glauben“, so der Domküster. Doch schnell wurde die bittere Wahrheit klar, dass es sich um einen Diebstahl handeln musste. Die Lanzenspitze war offenbar mit einer Säge abgetrennt worden. Der oder die Täter müssen die Spitze aus Goldblech eingesteckt haben und unbemerkt aus dem Dom verschwunden sein. Wie das passieren konnte? Fragezeichen.

Domprediger Giselher Quast: „Am Mittwoch um 14 Uhr war noch eine Domführung. Da war die Lanze schon weg. Der Domführer dachte aber, das sie regulär entfernt worden sei. Der Diebstahl muss also schon vorher erfolgt sein.“

Da am Dom keine Einbruchsspuren zu finden sind, geht Quast davon aus, dass der oder die Täter während der regulären Öffnung des Domes zugeschlagen haben müssen. Das müsse blitzschnell gegangen und geplant gewesen sein, vermutet Quast. Auf dem Boden waren keine Sägespäne zu finden. Der Dieb hat die Lanzenspitze dann irgendwie unbemerkt aus dem Dom gebracht. Kameras sind nicht installiert. Sicherheitspersonal, das im Domschiff patroulliert, gibt es nicht. Der Dom ist nur am Eingang am Kartentisch mit einer Person besetzt, die aber keine Aufsichtsfunktionen ausführen kann.

Bei dem Exponat handelt es sich um ein Duplikat der Orginallanze, die in der Wiener Hofburg zu besichtigen ist. Die im Magdeburger Dom gestohlene Kopie wurde Anfang der 1990er Jahre von einem Halberstädter Schmied aus Goldblech angefertigt und besitzt einen Materialwert von schätzungsweise 2000 Euro. Der ideelle Wert allerdings ist nicht zu bemessen.

Die Lanze und Kaiser Otto, der unmittelbar neben dem Standort der Lanze im Dom begraben liegt, verbindet sehr viel. Der Überlieferung nach soll mit dem Original der Lanze nach der Kreuzigung der Tod Jesu überprüft worden sein. Am Original soll deshalb auch Blut von Jesus geklebt haben. Später gehörte die Lanze zum Schatz Kaiser Otto I., der die Waffe auch bei der legendären Schlacht auf dem Lechfeld getragen haben soll.

Die Schlacht am 10. August 955 war das Ende der Ungarneinfalls, der größte militärische Sieg Ottos des Großen und gilt als Geburtstunde der deutschen Nation. Die Original-Lanze wurde dann von Kaiser zu Kaiser als Zeichen von Macht und Reichtum weitergegeben und ist schließlich mit weiteren sogenannten Reichskleinodien (Reichsschwert/Reichskrone) in Wien zu besichtigen.

Wegen des Bezuges zu einer deutschen Nation kann deshalb Deutsch-Tümelei als Tatmotiv nicht ganz ausgeschlossen werden (siehe auch Info-Kasten). Und die Polizei sagt: „Wir haben noch keine Spur. Und was das Motiv angeht, so fällt lediglich die zeitliche Nähe zu Ostern auf. Mehr können wir aber noch nicht sagen“, so Sprecher Frank Küssner.

Obwohl es sich bei der Lanze in Magdeburg nur um eine Kopie handelt, ist sie wegen ihrer Bedeutung schon fast ein Heiligtum und wurde u. a. aus Anlass der drei großen Kaiser-Otto-Ausstellungen Mitte der 2000er Jahre in Magdeburg im Dom aufgestellt. „Zu besonderen Festtagen haben wir die Lanze in Gottesdiensten auch benutzt und an ihr Friedensbänder befestigt. Schließlich ist die Lanze ja eine Waffe und wir wollten damit für Frieden werben und gegen Krieg und Gewalt protestieren“, sagt Domprediger Giselher Quast.

Ob sich der Dieb die goldene Lanzenspitze versilbern kann, ist offen. Beim Altmetall-Ankauf dürfte man das Stück schwer loswerden. Ob man die Spitze aus Goldblech auf dem illegalen Kunstmarkt absetzen kann, ist ebenfalls fraglich.

Und so baut Domprediger Giselher Quast dem Täter nicht zuletzt wegen Ostern eine Brücke: „Wenn der Dieb uns das Stück unversehrt wieder vor die Domtür legt, sind wir einfach glücklich und fragen nicht weiter nach.“