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Hebammen Keine Hilfe mehr bei Hausgeburten

Zur Geburt im Krankenhaus gibt es im nördlichen Sachsen-Anhalt ab Juli keine Alternative mehr. Freiberufliche Hebammen sind frustriert.

Von Hagen Eichler 11.04.2016, 01:01

Magdeburg l 99 Prozent aller Schwangeren in Sachsen-Anhalt wählen die Geburt im Krankenhaus. Dennoch gab es bislang die Alternative, das Kind in Begleitung einer Hebamme zu Hause zur Welt zu bringen. Diese Wahlmöglichkeit endet im Sommer: Zur Hausgeburt ist im Norden des Landes offenbar keine Hebamme mehr bereit. Das zeigt eine Liste des Hebammenverbandes, die dem Landessozialministerium vorliegt.

Die Geburtshelferinnen klagen seit Jahren über drastisch steigende Haftpflicht-Beiträge. Seit diesem Jahr sollen die Krankenkassen einen Teil der Beiträge erstatten. Wegen Fehlern im Vertrag erhalte allerdings ein Großteil der Hebammen gar nichts, klagt der Deutsche Hebammenverband. Zudem schränken die Kassen Hausgeburten ein. Ist etwa der errechnete Geburtstermin drei Tage überschritten, muss die Schwangere zunächst zum Arzt.

„Willkürlich und ohne wissenschaftliche Grundlage“ seien die neuen Ausschlusskriterien, kritisiert der Deutsche Hebammenverband, der in Berlin bereits Klage eingereicht hat. „Für eine gesunde Frau, die sich wohlfühlt, sind drei Tage Terminüberschreitung überhaupt nichts Problematisches“, empört sich auch Petra Chluppka, Vorsitzende des Verbandes in Sachsen-Anhalt.

Die Hebamme Claudia Grenzau aus Staßfurt will Hausgeburten nur noch bis Juni betreuen – sie ist die letzte in der Region. Von Ärzten und Krankenkassen fühlt sie sich bevormundet. „Man will unseren Beruf kaputtmachen“, klagt sie. Anfragen lehnt sie mittlerweile ab. „Ich kann leider auch keine Kollegin empfehlen, weil unter diesen Umständen niemand mehr Hausgeburten begleitet.“ Was ihr bleibt, sind die Geburtshilfe als Beleghebamme im Krankenhaus sowie Kurse vor und nach der Geburt.

In Halle hat im vergangenen Jahr Ostdeutschlands ältestes Geburtshaus seinen eigentlichen Zweck aufgegeben – mittlerweile fungiert es als Familienbildungszentrum. „Die Stimmung unter den freiberuflichen Hebammen ist schlecht“, sagt Verbandsvorsitzende Chluppka. Bis Jahresende würden noch etliche Kolleginnen die Geburtshilfe aufgeben.

2014 gab es in Deutschland 3862 Hausgeburten, in Sachsen-Anhalt waren es 37. Viele Ärzte sehen diese Geburtsform kritisch, weil Kliniken für Komplikationen besser gerüstet seien. Sachsen-Anhalts Hebammen-Chefin Chluppka hingegen wirft Krankenhäusern vor, oft grundlos in den natürlichen Vorgang einzugreifen. Sie fürchtet, dass mangels Hebamme künftig einige Frauen versuchen könnten, ihr Kind allein zur Welt zu bringen. „Wenn da etwas schiefgeht“, warnt Chluppka, „dann kann es wirklich dramatisch werden“.