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Local Heroes Wo Bands laufen lernen

Deutschlands größter nicht kommerzieller Bandwettbewerb kommt aus Salzwedel. Dieses Jahr wird er 25. Am Freitag ist wieder Landesfinale.

Von Elisa Sowieja 15.09.2016, 01:01

Salzwedel l Zweimal traten sie bei Local Heroes an, zweimal flogen sie in der Vorrunde raus: Devilish – Teenierockband mit einem süß-sonderbaren Sänger, der aussah wie von einer Manga-Comic-Messe entführt. Die verpassten Endrunden können den Jungs aus Loitsche und Magdeburg heute herzlich egal sein. Wichtig ist, dass sie damals, vor mehr als zehn Jahren, auf der Bühne stehen durften. Denn bei einem der Auftritte wurden sie vom Produzenten Peter Hoffmann entdeckt, der zuvor schon mit Falco und Oli P. gearbeitet hatte. Kurz darauf benannten sich Devilish um und starteten als Tokio Hotel weltweit durch.

Unbekannten Nachwuchsmusikern im buchstäblichen Sinne eine Bühne geben, ihnen helfen, weiterzukommen, das steht beim Bandwettbewerb aus der Altmark heutzutage im Vordergrund. Als Local Heroes zwei Jahre nach dem Mauerfall zum ersten Mal ausgetragen wurde, ging es allerdings noch um etwas anderes: „Wir wollten dafür sorgen, dass sich junge Musiker aus Ost und West kennenlernen“, erzählt Gründer Dieter Herker.

Er war damals Sozialarbeiter eines Jugendtreffs in Lüchow-Dannenberg, einem Landkreis im niedersächsischen Teil des Grenzgebiets. Die Idee zum Wettbewerb klügelte er mit Veranstaltern in Salzwedel und Uelzen aus, die er von Konzerten kannte. Die Truppe organisierte für jeden der drei Kreise einen Vorausscheid.

Im Salzwedeler Park des Friedens wurde dann vor rund 1000 Besuchern das Finale ausgetragen. An die Gespräche hinter der Bühne erinnert sich Herker noch sehr gut. Zum Beispiel daran, wie eine West-Band ein paar Ost-Kollegen nach ihrer Nummer fragte und bei der Antwort verdutzt aus der Wäsche schaute – die warteten nämlich schon seit drei Jahren auf ein Telefon.

Was damals mit 20 Bands begann, wurde schnell zum Selbstläufer. „Ständig fragten Jugendzentren und Musikinitiativen an, ob sie mitmachen dürfen“, erzählt der heute 66-Jährige. Erst kamen nur Landkreise aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen hinzu, später machten auch andere Bundesländer mit.

„Ende der 90er wurde der Wettbewerb so groß, dass wir ihn nicht mehr rein ehrenamtlich stemmen konnten.“ In Salzwedel entstand unter dem Dach des Vereins Aktion Musik eine Koordinierungsstelle mit Herker als Leiter. Dort werden seitdem der Salzwedeler Vorausscheid, das Landesfinale Sachsen-Anhalts und das Bundesfinale geplant, außerdem bekommen Veranstalter der Vorausscheide Unterstützung.

14 Bundesländer sind inzwischen mit im Boot. Außerdem machen Österreich, Italien, Rumänien und Ungarn mit; bald soll es auch ein großes Europafinale geben. Dieses Jahr haben sich allein aus Deutschland 1500 Nachwuchsbands beworben.

Neben dem Chef von Local Heroes – heute ist das die junge Musikwissenschaftlerin Julia Wartmann – sind nur drei Organisatoren beim Verein angestellt. Alle anderen arbeiten ehrenamtlich, ob als Bühnenaufbauer, Kartenabreißer oder Brötchenschmierer.

Finanziert wird das Ganze größtenteils durch Fördermittel und Sponsoren, die Eintrittsgelder machen nur ein Fünftel aus. Dass sich seit 25 Jahren Geldgeber finden, liegt sicherlich auch daran, dass Local Heroes mehr ist als ein Bandwettbewerb. Nicht nur, dass die Veranstalter im Salzwedeler Club Hanseat schon zu Beginn des Projekts einen Proberaum errichtet haben, in dem die jungen Musiker für ihre Auftritte üben können.

Der Verein organisiert auch das ganze Jahr über Workshops, damit Bands das Abc des Bühnenauftritts lernen: Wie bewege ich mich auf der Bühne? Wie verständige ich mich mit dem Tontechniker? Und wo muss ich überhaupt meinen Verstärker hinstellen? Manchmal können die Nachwuchsmusiker hier sogar von Prominenz lernen: Denn unter den Workshop-Leitern war auch schon Silly-Bassist Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek. Die Band ist seit Jahren Pate von Local Heroes. Sie hat sogar mal Musikern aus dem Wettbewerb für CD-Aufnahmen ihr Studio zur Verfügung gestellt.

Was die Unterstützung von Local Heroes auch jenseits des Wettbewerbs bewirken kann, zeigt ein herrliches Beispiel aus der Anfangszeit: Es war Mitte der Neunziger, da ließen sich drei Brüder aus dem niedersächsischen Preißeck von ihren Eltern ständig nach Salzwedel gurken, 30 Kilometer weit. Sebastian, Sascha und Johannes gingen damals noch zur Schule und hatten gerade eine Band namens Alice’s Gun gegründet. Nach Salzwedel zog es sie, weil sie im Hanseat für lau proben durften. Außerdem hatten sie dort den passenden Gitarristen gefunden. 1997 holten Alice’s Gun bei Local Heroes den Sieg. Später gründeten sie eine zweite Band, eine Indie-Rock-Combo. Die hat in den vergangenen zehn Jahren fünf Top-Ten-Alben hervorgebracht. Ihr Name: Madsen.