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Landtag AfD und „Kenia“ sagen Ja

Sachsen-Anhalt hat den ersten Untersuchungsausschuss in der neuen Wahlperiode.

Von Jens Schmidt 29.09.2016, 22:00

Magdeburg l Gleich zwei Dinge waren am Donnerstag gänzlich neu im Landtag: Erstmals machen CDU, SPD und Grüne gemeinsame Sache mit der AfD. Und: Erstmals will eine Regierungskoalition das Gebaren der eigenen Minister durchleuchten. Nur die Linke hält nichts von einem Untersuchungsausschuss. Dieses Gremium soll die Vergabe von Beraterverträge, Studien und Gutachten durchleuchten, Verstöße feststellen und strengere Regeln aufstellen. Den Vorsitz hat Florian Philipp (CDU). Der 36-jährige Magdeburger ist neu im Landtag und war im Volkswagen-Management tätig. Den Stellvertreter-Posten bekam Matthias Büttner. Der 33-jährige Staßfurter ist Fraktionsvize der AfD.

Seit Wochen hält die Debatte um ominöse Beraterverträge die Landespolitik in Atem. Die Volksstimme hatte veröffentlicht, wie Ministerien millionenschwere Verträge rechtswidrig am Parlament vorbei und oft ohne Ausschreibung in Auftrag gegeben haben. Der Rechnungshof prüft. Es geht um Vorgänge aus den Jahren 2011 bis 2016, im Fokus stehen Minister und Staatssekretäre von SPD und CDU – vor allem aber Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) wegen eines 6,3 Millionen Euro teuren Vertrags mit der Investitionsbank.

Wegen des gestiegenen Drucks und auf Initiative der Grünen hatte sich die schwarz-rot-grüne Koalition am 20. September durchgerungen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Doch die AfD war dem zuvorgekommen und hatte am selben Tag schon einen Antrag eingereicht.

„Kenia“ war nun in einer Zwangslage. Verhindern konnte man die Initiative der Rechtskonservativen nicht mehr, denn die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses ist Minderheitenrecht: Dafür reichen 22 Stimmen – die AfD hat 25. Also entschieden die drei Regierungsfraktionen, das AfD-Ansinnen aufzunehmen, dieses aber um einige Untersuchungsaufträge zu erweitern. Die AfD wollte nur die Vorgänge im Finanzministerium untersucht wissen – die Koalition will alle Ministerien unter die Lupe nehmen. Die Frage war: Macht das die AfD mit? Die befürchtete nämlich ein sich ewig hinziehendes Verfahren. Oder gibt es am Ende gar zwei Untersuchungsausschüsse?

Um der Opposition entgegenzukommen, schlugen die Koalitionsfraktionen ein gestuftes Verfahren vor: Wenn die Vorgänge im Finanzministerium untersucht sind, gibt es einen Zwischenbericht – dann kommen die andere Ressorts an die Reihe. „Wenn ein Vorschlag besser ist als unserer, wären wir doch mit dem Klammersack gepudert, wenn wir dem nicht zustimmen“, sagte AfD-Finanzpolitiker Robert Farle. Damit war klar: AfD und „Kenia“ stimmen gemeinsam für den Ausschuss.

Farle wollte das als Zeichen verstanden wissen, dass es seiner Partei nicht um Ideologie, sondern um die Sache gehe. Er drehte sich um und sprach den auf der Regierungsbank sitzenden Ministerpräsidenten direkt an: „Die AfD hat eben kein Brett vorm Kopf, Herr Haseloff. Ich sage es Ihnen, weil Sie das nicht glauben.“

Reiner Haseloff schwieg regungslos, verzog keine Miene.

Beim umstrittenen Vertrag des Justizministeriums zu Gender Mainstreaming konnte sich Farle aber nicht verkneifen, was er von der Gleichstellungsstrategie hält – er findet sie schlicht „bekloppt“. Olaf Meister (Grüne) rüffelte die AfD, dass es bei der Untersuchung um Regelwidrigkeiten bei der Auftragsvergabe gehe – nicht aber um die Richtigkeit der Genderpolitik.

Damit war der Schlagabtausch aber nicht beendet. AfD-Fraktionsvize Büttner griff Ex-Justizministerin Angela Kolb-Janssen (SPD) an und kritisierte den Stundensatz für eine Gender-Beratungsfirma. „480 Euro? Das ist doch ein Witz.“ Holger Hövelmann von der SPD wollte wissen, woher Büttner das wisse. Büttner: „Als Abgeordneter lese ich Zeitung, das sollten Sie auch tun.“ Nun raunten einige spöttisch: „Lügenpresse“. Büttner schüttelte den Kopf und sagte: „Ich habe nie ,Lügenpresse‘ gesagt.“ Hövelmann: „Auch ich lese Zeitung, Aber das, was man liest, kann man nicht immer per se als korrekt einstufen...“

Hoch emotional redete auch Linken-Fraktionschef Swen Knöchel. Die Regierung habe sich 2013 „nicht entblödet“, Blindengeld zu kürzen sowie Personal abzubauen und zugleich den millionenschweren Vertrag mit der Investitionsbank abzuschließen. Hinter dem „Beraterunwesen“ stecke die Unfähigkeit oder auch die Unlust von Ministern, eigene Entscheidungen zu fällen. Trotz der harschen Kritik lehnte die Linke einen Untersuchungsausschuss ab. Er dauere zu lange, Konsequenzen müssten sofort gezogen werden.

Ministerpräsident Haseloff zeigte sich demütig: „Die Landesregierung unterstützt den Landesrechnungshof ohne Wenn und Aber, die Vorgänge vollständig und restlos aufzuklären.“