1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Die Chronologie des Verbrechens

Mordfall Li Die Chronologie des Verbrechens

Zu einem der spektakulärsten Verbrechen der vergangenen Jahre in Sachsen-Anhalt beginnt heute am Dessauer Landgericht der Prozess.

Von Matthias Fricke 25.11.2016, 00:01

Dessau l Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen das Paar aus Dessau: Sebastian F. und seine Verlobte haben der chinesischen Studentin Yangjie Li einen Notfall vorgetäuscht, sie in die Wohnung gelockt und anschließend vergewaltigt. Die Anklage lautet deshalb auch auf gemeinschaftlichen Mord und Vergewaltigung. Zudem werden Sebastian F. noch zwei weitere Vergewaltigungen vorgeworfen, die er im Sommer 2013 in Dessau an einer anderen Frau begangen haben soll.

Die beiden gingen äußerst brutal vor. Sie vergingen sich mehrfach an der jungen Frau und schlugen massiv auf das Opfer ein. Wie ein Stück Müll ließen sie den Vorwürfen nach die 25-Jährige in der Wohnung zurück, in der Annahme sie werde ohnehin bald sterben. Als das Paar in die Wohnung zurückkehrte und feststellte, dass die junge Frau immer noch lebte, schleppten sie diese über ein Gerüst an die Hinterfront des Hauses. Dort legten sie diese ab, wo die Studentin ihren Verletzungen erlag.

Der Prozess ist außer zu Oury Yalloh im Jahr 2008 der erste in Dessau, in dem sich Medienvertreter aus Platz-Kapazitätsgründen akkreditieren müssen. „Die Nachfrage ist sehr groß und wir konnten nicht alle Nachfragen bedienen“, sagt Landgerichtssprecher Frank Straube. Insgesamt sind nur 25 Medienvertreter zugelassen.

Auch aus China haben sich Fernsehteams angemeldet. Insgesamt sind 19 Verhandlungstage angesetzt. Für den heutigen Freitag ist zunächst die Verlesung der Anklage vorgesehen. Zeugen sind noch keine geladen. Ob die beiden Angeklagten sich schon zum Prozessauftakt heute äußern, ist noch unklar. Xenia I. soll teilweise während der Ermittlungen zu den Vorwürfen Stellung genommen haben. Sebastian F. blieb bei seiner Darstellung vom einvernehmlichen Sex. Die gesicherten Spuren sprechen aber dagegen.

11. Mai: Yangjie Li ist am Mittwoch gegen 20.30 Uhr von ihrer Wohngemeinschaft in der Dessauer Innenstadt aus zum Joggen aufgebrochen. Sie kehrt danach aber nicht zurück. Die Polizei beginnt mit der Suche, setzt Fährtenhunde ein. Es beginnt auch eine Öffentlichkeitsfahndung.

13. Mai: In Dessau wird eine Frauenleiche unter einem Baum zwischen einer Hauswand und einem Dixi-WC gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um die vermisste Studentin handelt. Klarheit soll eine Obduktion bringen. Es sickern erste Informationen an die Öffentlichkeit durch, dass die junge Frau Opfer eines Verbrechens wurde.

15. Mai: Systematisch suchen im Umfeld des Tatortes fünf Trupps nach drei Dingen: Ein Mobiltelefon, ein Schlüsselbund und die sportliche Damenbekleidung, darunter eine schwarze Hose. Dessau und die gesamte Studentengemeinde der Hochschule samt ihrer rund 800 Chinesen sind schockiert.

16. Mai: Die rechtsmedizinische Untersuchung bestätigt endgültig, dass es sich um die 25-jährige Studentin aus China handelt. Es sickert außerdem durch, dass mindestens eine fremde DNA-Spur an der Leiche sichergestellt werden konnte.

17. Mai: Mit einem Großaufgebot durchsucht die Polizei größere Mengen Müll. Die Hose des Opfers wird entdeckt.

18. Mai: Rund 200 Dessauer nehmen an einem Gedenklauf „Jogging in Memorial of Yanjie Li“ teil. Er führt vom Stadtpark aus zum Hochschulgelände. Zudem versammeln sich 600 chinesische und andere Studenten auf dem Seminarplatz in Halle.

19. Mai: Die beim Opfer festgestellte fremde DNA-Spur wird mit der Datenbank des Bundeskriminalamtes abgeglichen. Doch es gibt keine Treffer. Das heißt, der mutmaßliche Täter war zu diesem Zeitpunkt noch nicht darin erfasst. Auch eines wird schnell klar: Die hinterlassene DNA-Spur passt nicht zu dem noch immer ungeklärten Mord an der bulgarischen Studentin Mariya N. (29 Jahre) in Halle. Sie war ebenfalls erst vergewaltigt und später getötet worden.

20. Mai: Die Eltern der ermordeten Studentin kommen in Dessau an. Sie werden von Kommilitonen und Hochschul-Professoren betreut. Die Chinesin stammt aus der Provinz Henan. Die Polizei plant indes einen freiwilligen DNA-Test und verteilt Handzettel.

21. Mai: Wie erst später bekannt wird, helfen die Eltern des Tatverdächtigen Sebastian F. an jenem Sonnabend beim Umzug aus dem Mordhaus. Das Paar zieht in das Haus der Eltern.

22. Mai: Der Sohn vertraut sich seiner Mutter an. Sie ist als Kriminalistin selbst zeitweise Mitglied der Ermittlungsgruppe und rät ihm mit ihrem Wissen sich der Polizei zu stellen.

23. Mai: Der 20-Jährige erscheint auf dem Polizerevier in Dessau und erklärt, dass die aufgefundene DNA von ihm stammen könnte. Er habe mit seiner Verlobten und der Studentin einvernehmlichen Sex gehabt. Es folgen widersprüchliche Aussagen.

24. Mai: Die Staatsanwaltschaft verkündet auf einer Pressekonferenz, dass Haftbefehl gegen das Paar wegen gemeinschaftlichen Mordes mit sexuellem Hintergrund erlassen worden ist. In einem peinlichen Auftritt, bei dem der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann Journalisten vor der Tür empfängt, stammelt dieser, dass der Beschuldigte polizeibekannt sei, aber nur wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung. Was er nicht sagt, ist, dass Sebastian F. Stiefsohn des Dessauer Revierleiters ist und seine Mutter als Kommissarin im Revier arbeitet. Dafür verkündet er die schon zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen unwahrscheinliche Version des jungen Mannes vom „einvernehmlichen Sex“ zu dritt.

25. Mai: Die Eltern des Opfers sind empört über Bittmanns Aussagen. Sie sehen das Ansehen der Tochter in China als geschändet an.

26. Mai: Immer mehr Details zum jetzt angeklagten Paar kommen ans Licht. Auch, dass der Stiefvater Revierleiter ist und die Mutter Polizistin. Es werden Manipulationsvorwürfe laut. Daraufhin übernehmen Sonderermittler des Landeskriminalamtes die Untersuchungen gegen die Eltern. Ein offizielles Ermittlungsverfahren wird es aber nicht geben, weil der Anfangsverdacht fehlt. Um eine mögliche Einflussnahme auszuschließen, übernimmt die Ermittlungsarbeit die Polizeidirektion Süd in Halle.

27. Mai: Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg soll das Verfahren eng begleiten. Die auf Sexualstraftaten spezialisierte Staatsanwältin führt aber weiter das Verfahren.

2. Juni: Bei einer Trauerfeier nehmen Kommilitonen, die Eltern und Freunde Abschied von Yangjie Li.

3. Juni: Nur einen Tag später eröffnen die Eltern von Sebastian F. eine Gartenkneipe. Beide sind zu diesem Zeitpunkt krank geschrieben.

6. Juni: Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zeigt sich angesichts des Verhaltens der Eltern empört und ordnet beide auf andere Posten ab.

11. Juni: Chinesen in ganz Deutschland nehmen Abschied von Yangjie Li.

14. Juni: Der Stiefvater des Beschuldigten lässt seine Parteifunktionen bei der CDU ruhen. Der bisherige Stadtrat gerät in die Kritik der eigenen Parteikollegen.

20. Juni: Der Mutter wird das Betreiben der Gartenkneipe untersagt. Ein Widerspruch wird später abgelehnt.

28. Juni: Der Revierleiter wird an die Polizeifachschule Aschersleben versetzt. Vor dem Verwaltungsgericht wehrt er sich dagegen erfolgreich und erhält Recht. Das Innenministerium verzichtet auf Rechtsmittel.

22. September: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage vor dem Landgericht Dessau.

25. Oktober: Das Landgericht setzt den Prozess für den 25. November an.