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Abitur Sind die Schüler schlauer geworden?

Nach einer Reform der Prüfungsregeln erzielen die Abiturienten in Sachsen-Anhalt die besten Ergebnisse seit Jahren.

Von Alexander Walter 07.08.2017, 01:01

Magdeburg l 2,3 lautet der magische Wert. Nie in den vergangenen zwölf Jahren waren Sachsen-Anhalts Schüler im Abitur so gut wie bei den diesjährigen Prüfungen. Im vergangenen Jahr hatte der Durchschnitt noch bei 2,38 gelegen, im Jahr 2008 gar bei 2,51. Zugleich erreichten laut Bildungsministerium mit voraussichtlich um die 100 Schüler deutlich mehr ein 1,0-Abitur als 2016. Damals waren es noch 75. Doch woran liegt das? Sind Sachsen-Anhalts Schüler tatsächlich schlauer geworden?

Eine eindeutige Antwort zu geben, ist schwierig. Aktuell wertet das von der Kultusministerkonferenz installierte Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin die Zahlen aus Sachsen-Anhalt noch aus, sagt Stefan Thurmann, Sprecher im Magdeburger Bildungsministerium. Mit Ergebnissen rechne man erst im Herbst. Trotzdem führt die wohl wichtigste Spur zu einer neuen Oberstufenverordnung, die das Land erst im Winter erlassen hatte.

Noch 2016 galt das Abitur in Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich als besonders anspruchsvoll. Die Spielregeln haben sich seither zum Vorteil der Schüler geändert:

• Anders als früher haben Sachsen-Anhalts Abiturienten jetzt eine Wahlmöglichkeit bei den schriftlichen Prüfungsfächern. Sie können entweder auf Deutsch, Mathematik, eine Fremdsprache, eine Naturwissenschaft oder Geschichte verzichten. Statt der Bindung an die Prüfungsfächer Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache lautet die Regel jetzt nur noch, dass zwei von drei Fächern Mathe, Deutsch oder eine Fremdsprache sein müssen.

• Für die Berechnung ihrer Abschlussnote müssen Sachsen-Anhalts Schüler künftig nur noch 36 Halbjahresnoten einbringen. Bisher waren es 44. Die Abiturienten haben damit die Möglichkeit, acht schlechtere Halbjahresergebnisse aus dem Gesamtergebnis herauszufiltern.

• Schließlich können Abiturienten, die in einem mündlichen Prüfungsfach null Punkte erreichen, die Abiturprüfung künftig trotzdem bestehen, indem sie diese mit guten Noten ausgleichen. Generell muss dafür ein Notenschnitt von mindestens fünf Punkten in den übrigen Fächern vorliegen. Bislang fielen Prüflinge mit einer mündlichen Null-Punkte-Prüfung automatisch durchs Abi.

Für Thomas Gaube, Vorsitzender des Philologenverbandes im Land, hängt die Verbesserung des Gesamtdurchschnitts dann auch einzig und allein mit der Änderung der Oberstufenverordnung zusammen. Gaube spricht von einem „schleichenden Niveauverlust“ des Abiturs.Die inhaltlichen Anforderungen seien zwar gleich geblieben, sagt er. Einser-Abiturienten hätten sich ihr Ergebnis deshalb auch in diesem Jahr redlich verdient.

„Wenn man sich die Einbringungsverpflichtungen anschaut, ist das Abitur aber leichter geworden“, sagt Gaube. „Ein fataler Fehler, der langfristig negative Auswirkungen auf den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt haben dürfte“, so der Vorsitzende des Philologenverbandes.

Ministeriumssprecher Stefan Thurmann hält dagegen: „Ein Zusammenhang der Ergebnisse mit der Reform ist derzeit reine Spekulation“, sagt er. Unabhängig davon habe das Land bei der Änderung der Oberstufenverordnung wenig Spielräume gehabt. Das Land habe Vorgaben der Kultusministerkonferenz umgesetzt, um für eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse in Deutschland zu sorgen. „Wichtiges Ergebnis ist, dass ein Abschluss in Magdeburg jetzt nach ähnlichen Kriterien erfolgt wie etwa in Potsdam“, sagt Thurmann. Ein Vorteil: Sachsen-Anhalts Absolventen haben damit im Wettbewerb mit Abgängern anderer Länder bessere Chancen auf zulassungsbeschränkte Studiengänge wie Medizin oder Jura.

Dass das Ministerium nicht anders konnte, als die Oberstufenverordnung nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz zu ändern, erkennt auch Thomas Gaube an. Der Philologenverband fordere dennoch die Rückkehr zu den alten Vorgaben, sagt er. Man hoffe, dass sich aufgrund der Folgen irgendwann die Erkenntnis durchsetzen werde, dass das Gymnasium eine Leistungsschule sein sollte. „Im Moment gebe ich mich da aber keinen Illusionen hin“, sagt Gaube.