1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. 220 Autobahnkilometer mit Betonkrebs befallen

Sanierung soll im Spätsommer beginnen 220 Autobahnkilometer mit Betonkrebs befallen

Von Jens Schmidt 01.06.2012, 05:19

20 Prozent von Sachsen-Anhalts Autobahnen sind von Betonkrebs befallen. Das sind 220 Kilometer. Allein 2012 müssen fast 70 Kilometer Fahrbahn saniert werden. Im Spätsommer soll es losgehen.

Magdeburg l Erst verfärbt sich der Beton, dann bekommt er Risse, im letzten Stadium platzen große Brocken heraus. Alkali-Kieselsäure-Reaktion sagen Fachleute zu dem Phänomen - landläufig Betonkrebs genannt. Er lässt gefährlich große Schlaglöcher zurück. Ohne Gegenwehr würde die Fahrbahn regelrecht zerbröseln. Besonders betroffen sind A 9, A 14 und A 38. Vor sieben Jahren trat das Problem erstmals auf. Fachleute inspizieren nun jährlich die Strecken. Das Resultat der jüngsten Kontrolltour liegt jetzt im Verkehrsministerium von Thomas Webel (CDU) vor. Der Sanierungsplan für die nächsten beiden Jahre auch: Am Kreuz Magdeburg müssen gut 10 Zentimeter Beton abgefräst und durch Asphalt ersetzt werden. Bei Bad Dürrenberg und Weißenfels werden sogar ganze Fahrbahnen herausgerissen und komplett neu betoniert. Auf der A 9 bei Coswig werden 40 Kilometer Strecke mit einer Speziallösung bespritzt. Weder Wasser noch Tausalze sollen in die Betonporen eindringen - beide würden dem Krebs Nahrung geben. "Die Fahrbahn wird regelrecht eingecremt", sagt Klaus-Jürgen Reuter vom Verkehrsministerium. Ob die sogenannte Hydrophobierung die Piste dauerhalft heilt, vermag heute noch niemand zu sagen. Manche Experten warnen vor zu viel Optimismus, da weiterhin Nässe von unten in die Piste kriechen und den Krebs auslösen kann.

Das Phänomen Betonkrebs ist seit langem bekannt. Seit 1991 gibt es eine sogenannte Alkali-Richtlinie für den Straßenbau, um derlei Schäden zu verhindern. Umso überraschter waren die Behörden, als vor einigen Jahren bundesweit Betonpisten erste Zersetzungserscheinungen zeigten. Betroffen ist vor allem der Osten, da man hier Beton oft dem Asphalt vorzog. Die "weiße" Autobahn galt gerade nachts als angenehmer befahrbar und vor allem: Sie sollte 20 Jahre und damit mehr als doppelt so lange wie die "schwarze" Piste halten. Doch es kam anders. Einige Kiese, die lange als ungefährlich galten, waren es nicht. Einige Experten erhoben Vorwürfe, die Behörden hätten erste Hinweise Anfang der 90er Jahre nicht ernst genug genommen.

In Sachsen-Anhalt heißt einer der Übeltäter: Quarzporphyr. Wird er dem Beton beigemischt, kann es gefährlich werden. "Es gibt allerdings verschiedene Arten von Quarzporphyr. Es kommt also darauf an, aus welchem Steinbruch er stammt", erklärt Reuter die Tücke des Geschäfts. So sei etwa die A 2 in Sachsen-Anhalt krebsfrei. A 14 und A 9 aber sind es nicht. Damit man weiß, welcher Stoff tauglich ist und welcher nicht, werden seit einigen Jahren Betonproben in eine Klimakammer gepackt, sagt Reuter. Dort setzt man sie Hitze, Kälte und Taumitteln aus. Dehnt sich der Beton, wird er nicht eingesetzt.

Etwa die Hälfte der betroffenen Strecken sind seit 2008 saniert worden. Die Schäden gehen in die Millionen - blechen muss der Steuerzahler. Die Gewährleistungsfrist von fünf Jahren ist längst abgelaufen. Außerdem galten heikle Zuschlagsstoffe zur Bauzeit als ungefährlich. "Leider werden die Schäden erst sechs, sieben Jahre nach Fertigwerden der Strecke sichtbar", sagt Karl-Heinz Rother von der Landesstraßenbaubehörde Halberstadt.