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Aktion Dach des Neuen Schlosses undicht

Tangerhütte bangt um sein Baudenkmal. Die "Aktion Dachschaden" soll die Sanierung des Daches des Neuen Schlosses ermöglichen.

30.01.2018, 07:17

Tangerhütte (dpa) l Plipp-plopp, plipp-plopp, plipp-plopp... unablässig tropft es in Dutzende alte Bettpfannen. Das Dach des Neuen Schlosses im Stadtpark von Tangerhütte (Landkreis Stendal) ist nicht dicht. An vielen Stellen regnet es durch. Die Feuchtigkeit bedroht das Mauerwerk. Mit einer ungewöhnlichen Initiative soll das denkmalgeschützte Gebäude nun gerettet werden. Anfang Dezember startete Andreas Brohm (parteilos), Bürgermeister der Einheitsgemeinde, die "Aktion Dachschaden".

Ziel es, Geld für die Dachsanierung zu sammeln. Insgesamt 62.500 Euro müssen zusammenkommen. "Den Rest der 250.000 Euro teuren Dachsanierung können wir über Leader-Fördermittel der Europäischen Union bekommen", sagt Brohm. Aus dem klammen Haushalt der Kommune ist der Eigenanteil nicht zu finanzieren.

"Wir engagieren uns seit Jahren für die Restaurierung des Schlosses", berichtet der Vorsitzende des Tangerhütter Heimatvereins, Rainer Krause. Wenn Fenster einen neuen Anstrich brauchen oder kleinere Reparaturen fällig sind, packen die Mitglieder tatkräftig an. Das Dachproblem ist für sie allerdings ein paar Nummern zu groß.

Nicht nur bei Krause fiel die Idee mit der Spendensammlung auf fruchtbaren Boden. Auch der Verein für Industriekultur "Aus einem Guss", weitere Vereine und Initiativen der Stadt sind mit im Boot, wenn es darum geht, für die Aktion die Werbetrommel zu rühren. Denn das Neue Schloss, eigentlich eine Fabrikantenvilla, und der Park sind die Markenzeichen Tangerhüttes und mit der Geschichte des Ortes eng verwoben.

Im Jahr 1911 für die Familie Wagenführ, Gründer der Eisenhütte am Flüsschen Tanger, erbaut, war die Villa nach dem Krieg zunächst Heilstätte für Tuberkulose-Kranke, später Pflegeheim. Die Bettpfannen auf dem Dachboden zeugen noch davon. Seit Mitte der 1990er Jahre steht das Haus weitgehend leer. Im Sommer erwacht es aus dem Dornröschenschlaf und wird für Ausstellungen, Konzerte und Hochzeiten genutzt. Ehrenamtliche organisieren monatlich ein Bürgercafé.

"Es ist ein gutes Zeichen, wenn sich die Bürgerschaft für ein Projekt engagiert", findet Jürgen Leindecker, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalts, lobende Worte. Es komme leider sehr häufig vor, dass Kommunen Probleme haben, die notwendige Kofinanzierung von Fördermitteln aufzubringen. In der Regel gehe es um die Erfüllung von Pflichtaufgaben, etwa im Straßenbau. Manchmal steuern große Unternehmen den Eigenanteil bei. "Dies ist ein atypischer Fall", sagt Leindecker.

Die breite Resonanz habe ihn selbst überrascht, sagt Brohm. Insgesamt 46.150 Euro sind inzwischen (Stand 26. Januar) auf dem Spendenkonto. Nicht nur Firmen, Gewerbetreibende und viele Bürger aus Tangerhütte und Umgebung griffen in ihre Taschen. Auch aus Magdeburg, Helmstedt und anderen Orten gingen Beträge ein. Sogar bis Neuseeland habe sich die Aktion herumgesprochen, freut sich Brohm. Er ist optimistisch, dass auch die fehlenden 16.350 Euro noch zusammenkommen.

Ursprünglich sollte die Spendenaktion am 31. Januar enden. Nun geht sie bis Ende Februar in die Verlängerung. Brohm plant für den 18. Februar einen Spendenlauf mit Start und Ziel vor dem Neuen Schloss, und auch ein Benefiz-Konzert soll es noch geben. Anfang März muss der Fördermittelantrag abgegeben werden.

Im kulturellen Bereich, also bei den sogenannten freiwilligen Aufgaben der Kommunen, sei eine solche Spendenaktion durchaus ein interessantes Modell, sagt Leindecker. Dass aber viele Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt ihre Aufgaben überhaupt nur noch mit Fördermitteln erfüllen können, nennt er "bedenklich". Für eigenständiges Agieren reichten die eigenen Steuereinnahmen meist nicht aus. Leindecker fordert eine auskömmliche Finanzierung durch Bund und Land für den kommunalen Bereich.