Start für 100-Millionen-Euro-Investition auf dem Truppenübungsplatz bei Letzlingen / Kritik der Bürgerinitiative. Von Thomas Pusch Altmark: Eine Stadt "lebt" für den Krisenfall
Für 100 Millionen Euro entsteht in den kommenden Jahren eine Übungsstadt auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Altmark bei Letzlingen. Zum gestrigen ersten Spatenstich erschienen auch Gegner.
Letzlingen l Die ersten Autobahnmeter in der Altmark werden vermutlich schon im kommenden Jahr gebaut. Allerdings nicht im Verlauf der A 14, sondern in Schnöggersburg. So heißt die Übungsstadt, die auf dem Truppenübungsplatz gebaut wird. Sie ist nach einem Dorf benannt, das 1936 abgerissen wurde, als sich die Wehrmacht auf dem Gelände breitmachte.
Nicht nur die Autobahn ist untypisch für die Altmark. So entsteht auch eine Landebahn, tauglich für die Transall. Und eine U-Bahn. Allerdings wird in dem 400 Meter langen Tunnel kein Zug fahren, Stationen werden aber gebaut. Typisch für die Altmark soll das, was rund sieben Kilometer nordöstlich von Letzlingen entsteht, auch gar nicht sein. Vielmehr soll Schnöggersburg eine Stadt sein, die überall auf der Welt stehen könnte.
"Die Bundeswehr kann weltweit eingesetzt werden und dafür müssen die Soldaten vorbereitet sein", sagte Oberstleutnant Peter Makowski, der gestern das Projekt vorstellte. Sie werde da eingesetzt, wo Konflikte herrschen, und das sei zumeist in städtischen Räumen. So wie beispielsweise in Mazar-e Scharif in Afghanistan, einer Stadt mit knapp 270000 Einwohnern.
Einen ganz anderen Einsatzort mutmaßten Politiker der Linken, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Einsatz der Bundeswehr im Innern genehmigt hatte. So wollte Inge Höger in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wissen, ob die Anlage der Übungsstruktur auch die Möglichkeit der Vorbereitung auf Einsätze im Innern bietet.
Das Bundesverteidigungsministerium verwies auf den Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben, führte aber bei den Aufgaben der Bundeswehr explizit "Heimatschutz", "Inneren Notstand" und "Schutz kritischer Infrastruktur" auf. Im September erklärte Höger in einer Pressemitteilung: "Die Linke fordert die Schließung des Gefechtsübungszentrums und die Verwendung der Mittel für eine zivile Entwicklung in der Region sowie eine rein zivile Außenpolitik."
Solche Töne wurden gestern nicht laut. Vielmehr erklärte Finanz-Staatssekretär Jörg Felgner, dass er froh sei, dass es nun endlich losgehe. "Ich sichere ihnen die Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt für dieses so unter Beobachtung stehende Projekt zu", fügte er hinzu. Er habe mit vielen Menschen in der Altmark gesprochen und sei zu der Erkenntnis gekommen, "dass die Truppe hier zu Hause ist". Zudem könne man davon ausgehen, dass jeweils 50 Millionen Euro Investition die Schaffung von 1000 Arbeitsplätzen bedeuten. So könne auch die regionale Wirtschaft von Schnöggersburg profitieren.
Gestern waren Mitarbeiter einer Kampfmittelbeseitigungsfirma aus dem Landkreis Teltow-Fläming (Brandenburg) auf dem Gelände tätig. Im Laufe der kommenden Jahre werden noch viele Aufträge europaweit ausgeschrieben, denn die Planer der neuen Stadt sind durchaus von der Liebe zum Detail getrieben. So werden mehrere Brücken über den künstlichen Fluss Eiser führen. "Wir werden nicht mit Absperrband simulieren, dass sie zerstört wurde", erklärte Makowski. Vielmehr werde es möglich sein, ein Teil der Brücke abzusenken, um den Fluss unpassierbar zu machen.
"Das Geld hätte man auch besser anlegen können", kritisierte Edgar Kirchner von der Bürgerinitiative (BI) Offene Heide, der zusammen mit Claudia Bieder dem ersten Spatenstich beiwohnte. Die BI hatte beim Aktionstag gegen das Gefechtsübungszentrum am 15. September eine Ulme an der Zufahrtsstraße gepflanzt. "Dem Baum wünschen wir, dass er wächst und gedeiht, nicht aber diesem Übungsplatz für das Töten von Menschen", sagte Kirchner. Die BI setze sich gegen das "sinnlose Hochrüsten" ein.
Protest kam gestern per Erklärung auch aus der Landtagsfraktion der Linken. Die beiden Abgeordneten Frank Thiel und Uwe-Volkmar Köck kritisierten, dass es für die Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge, Erhalt und Ausbau kommunaler Infrastruktur überall an Geld fehle. Die Umsetzung dieses Projektes wäre innen- und außenpolitisch verheerend, daher sollte es gestoppt werden. Seite 4