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Gesetzesreform Ämter zahlen immer mehr Unterhalt für Kinder

Viele Alleinerziehende in Sachsen-Anhalt bekommen vom Ex-Partner keinen Unterhalt fürs Kind. Die Folge sind steigende öffentliche Ausgaben.

Von Alexander Walter 28.07.2018, 01:01

Magdeburg l Ämter in Sachsen-Anhalt strecken immer häufiger Unterhalt für Kinder von Alleinerziehenden vor. Hatten Mitte 2017 noch 17 .700 Kinder die Leistung erhalten, waren es Ende des Jahres 27.700 (+ 56 Prozent). Bei zuletzt landesweit rund 314.000 Einwohnern unter 18 Jahre ist statistisch fast jedes elfte Kind betroffen. Parallel nahmen laut Sozialministerium die öffentlichen Ausgaben für den Vorschuss zu. Wurden bis Jahresmitte 2017 noch 17,4 Millionen Euro gezahlt, zogen die Ausgaben bis Jahresende an – auf mehr als 41 Millionen Euro.

Grund für die Entwicklung ist eine Gesetzesreform: Will der Ex-Partner nicht fürs gemeinsame Kind zahlen oder sind Alleinerziehende in finanziellen Nöten, springt der Staat in die Bresche. Seit 1. Juli 2017 ist er dabei deutlich großzügiger: Geld gibt es statt bis zum vollendeten 12. nun bis zum 18. Lebensjahr. Die Begrenzung auf maximal sechs Jahre Zahlung entfällt.

Die Folge sind mehr Berechtigte und höhere Ansprüche. Vor allem im ersten Halbjahr nach der Reform sorgte das für einen Ansturm auf die zuständigen Ämter. Zählte etwa der Kreis Jerichower Land im ersten Halbjahr 2017 noch 148 Anträge, waren es im zweiten 833. Magdeburg meldete eine Verdreifachung der Anträge allein in den ersten drei Monaten nach der Reform. Im Altmarkkreis Salzwedel registrierten die Behörden bis Jahresende immer noch eine Verdopplung der leistungsberechtigten Kinder.

„Die Zahlen haben unsere Erwartungen übertroffen“, sagte Sprecherin Birgit Eurich. Der Altmarkkreis hat reagiert: Statt vier arbeiten jetzt sieben Mitarbeiter in der zuständigen Abteilung. Das Jerichower Land, der Landkreis Stendal oder der Bördekreis haben ebenfalls zusätzliche Beschäftigte eingestellt.

Einschränkungen beim Anspruch erschweren die Bearbeitung: Erhalten Alleinerziehende schon Hartz IV, wird die Einnahme mit dem Vorschuss verrechnet. Bördekreis, Altmarkkreis Salzwedel oder das Jerichower Land haben deshalb Absprachen mit dem Jobcenter getroffen. Bis zur Bewilligung des Unterhaltsvorschusses erhalten Hartz-IV-Bezieher Leistungen ungekürzt weiter.

Den Steuerzahler könnte die Reform teuer zu stehen kommen. Gab etwa der Landkreis Stendal noch 2016 1,97 Millionen Euro aus, rechnet die Behörde für 2018 mit 5,2 Millionen Euro. Nur selten erhalten die Ämter vorgestrecktes Geld von säumigen Zahlern zurück. In Sachsen-Anhalt gelang das zuletzt nur in gut jedem fünften Fall (21 Prozent). Allerdings registrieren die Behörden einen Aufwärtstrend. Noch 2010 lag die Rückholquote bei nur rund 16 Prozent.

Säumigen Zahlern drohen Pfändungen, Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen. Seit Sommer 2017 ist zusätzlich der Entzug des Führerscheins möglich.

Deutschlandweit nahm die Zahl der Kinder, für die Ämter Unterhalt vorstrecken, zwischen Sommer 2017 und März von 414.000 auf 714.000 zu (+ 72 Prozent). In Sachsen-Anhalt gibt es rund 80.000 Alleinerziehende, 69.000 sind Frauen (86 Prozent).