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Eine Woche lang in Stendal Ausstellung, Theaterstücke, Workshops "Angst(frei)-Festival eröffnet: Gefängniszellen voll Kunst

Von Nora Knappe 05.09.2011, 06:48

Kunst im Knast – die gibt es im Rahmen des "Angst(frei)-Festivals" die ganze Woche über in Stendal. Knapp 30 Zellen des leer stehenden Gebäudes der ehemaligen Justizvollzugsanstalt wurden dazu kreativ gestaltet. Ausgangspunkt für das Festival, das am Sonnabend eröffnet worden ist, war das Thema Angst.

Stendal. "Ich habe noch heute Platzangst. Jeden Tag nur sitzen und warten. Und wie ein gefangenes Tier zwei Meter hin und zwei Meter zurücklaufen." Petro-Bert Lienert steht in einer Zelle der ehemaligen JVA Stendal und erinnert sich an das schlimmste Vierteljahr seines Lebens.

Ein Vierteljahr Gefangenschaft als politischer Häftling. Am Sonnabend kehrte er zum ersten Mal wieder an diesen Ort zurück, der das Leben des 52-jährigen Altmärkers verändert hatte.

Für eine Woche gehört dieser Ort nun der Kunst. Hier findet das "Angst(frei)-Festival" statt. Die Zellentüren stehen weit offen, locken durch interessante, farbige, ideenreiche Gestaltung in ihr Inneres. Akteure des Theaters der Altmark (TdA) haben mit Vereinen, Schülergruppen und Einzelpersonen – darunter auch Jugendliche aus der psychiatrischen Klinik Uchtspringe – knapp 30 Zellen künstlerisch gestaltet.

Verbindendes Element dieses kreativen Schaffens ist das Thema Angst. Angst vor dem Tod, Angst vor Demenz, vor Gewalt, vor Umweltzerstörung, Angst vor dem Alleinsein...

"Wir wollen keine Angst schüren, sondern dazu beitragen, dass die Menschen mit ihren Ängsten umgehen können und wir in Austausch darüber kommen", sagte Festivalleiter Ludger Lemper zur Eröffnung am Sonnabend vor Dutzenden Gästen. Er wünschte sich und den Besuchern der Ausstellung spannende, inspirierende und nachdenklich stimmende Momente.

Dass dieser Ort dafür der richtige sei, bekräftigte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), der als Vertreter des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff zur Eröffnung gekommen war. "Sie haben sich ein spannendes Thema ausgesucht, das wir offener diskutieren sollten, damit uns die Angst nicht beherrscht oder wir Meinungen machen, die in einer pluralistischen Gesellschaft nichts zu suchen haben." Er selbst, erklärte Stahlknecht, sei in seiner achtjährigen Tätigkeit als Staatsanwalt oft mit Angst konfrontiert gewesen. Angst der Opfer vor dem Tatort, Angst der Straftäter vor dem, was sie hinter den Mauern des Gefängnisses erwarten würde.

Dass das Angst(frei)-Festival nicht ein Kunstfestival wie jedes andere sei, betonte TdA-Intendant Dirk Löschner. "Es soll eine tiefgehende gemeinsame Beschäftigung mit einem wesentlichen Thema unserer Zeit sein. Viele Ängste hindern uns daran, uns gesellschaftlich einzumischen." Die erste positive Auswirkung des Festivals sei die Ausstellung selbst. "Für viele war sie der erste Schritt aus einer ihrer Ängste", sagte Löschner.

Die Ausstellung in der ehemaligen JVA Stendal kann noch bis 11. September täglich von 15 bis 21.30 Uhr besichtigt werden. Ergänzt wird das Programm durch Vorträge, Workshops, Podiumsgespräche und Theaterstücke.

Kultur IV/Lokales

www.angstfrei-festival.de