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Anime Wenn aus Florian Flotaku wird

Wie der Harzer Florian Werner Japan für sich erobert hat und sich fürs Anime-Gucken bezahlen lässt.

Von Vera Heinrich 26.07.2019, 23:01

Osterwieck l Seine Heimat ist das kleine Harzer Dörfchen Hessen am Fallstein. Sein Zuhause ist Leipzig. Sein Herz schlägt für Japan.

„Japan ist meine Leidenschaft. Bei mir verschmelzen Hobby und Beruf sehr stark miteinander“, erzählt Florian Werner. Dafür sollte auch seine zukünftige Partnerin Verständnis haben.

Denn im Leben des 31-Jährigen nimmt das Thema Japan so viel Platz ein, dass ihm kaum Zeit für eine Freundin bleibt. Schließlich hat er das gemacht, wovon viele Menschen ein Leben lang träumen: Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

Während er als Jugendlicher die japanische Popkultur mit Anime-Serien und Manga-Comics für sich entdeckte, lässt er sich heute fürs Schauen seiner Lieblingsserien bezahlen.

Wie das funktioniert? Der studierte Japanwissenschaftler arbeitet als Übersetzer für Anime-Serien. Neben Übersetzungen von DVD-Booklets und deutschen Untertiteln fertigt er überwiegend die Übersetzungen für Dialogbücher an. Diese dienen als Grundlage für den Dialogbuchregisseur, der die deutsche Sprachfassung japanischer Zeichentrickserien erstellt.

Noch während seines Masterstudiums an der Universität Leipzig ist 2018 der erste Auftrag ins Haus geflattert. Florian Werner schildert, wie es dazu kam: „Mir war im DVD-Booklet einer Animeserie aufgefallen, dass etwas fehlerhaft übersetzt wurde. Darauf habe ich den herausgebenden Verlag hingewiesen.“ Diese kritische Aufmerksamkeit sollte belohnt werden. Auf den ersten Kontakt folgte der erste Auftrag vom Verlag. Florian Werner hat zwei DVD-Booklets der Serie „Made in Abys“ ins Deutsche übersetzt.

„Bei der Leipziger Buchmesse habe ich Kontakt zu weiteren Verlagen geknüpft und so neue Aufträge an Land gezogen: deutsche Untertitel für japanische Animefolgen.

Die Liste seiner Referenzen lässt inzwischen die Herzen der Fans japanischer Popkultur höherschlagen. Er zählt auf: „Ich habe beispielsweise für ‚Girl‘s last tour‘ und ‚Megalo box‘ die Dialogbuchübersetzungen angefertigt. Ein besonderes Highlight war es für mich, den Episodenführer für ‚Violet evergarden‘ ins Deutsche zu übertragen. Das ist eine meiner Lieblingsserien.“

Auch wenn Animes laut Werner in Deutschland noch ein Nischendasein fristen, hat er in den vergangenen Jahren ein wachsendes Interesse daran vernommen. „Ich habe den Eindruck, immer mehr Verlage erwerben immer mehr Lizenzen. Insbesondere bei jüngeren Leuten steigt die Nachfrage“, erzählt er.

Dass das Interesse spürbar zunimmt, hat der Japanologe gerade auch in der lebhaften Resonanz auf seine Online-Aktivitäten festgestellt. Auf der Videoplattform YouTube lebt er seine Japan-Leidenschaft gleich in zwei Kanälen aus.

Kurz vor dem Beginn seines Bachelorstudiums hat er im Herbst 2011 Florians Japan-Channel gegründet. Ursprünglich startete er das Projekt, um seine erworbenen Sprachkenntnisse zu vertiefen. „Ich habe das Gelernte aus der Uni für mich wiederholt, indem ich es in Videoform als Tutorials noch einmal aufbereitet habe. Die Follower konnten so mit mir zusammen die japanische Schrift und Grammatik erlernen.“ Die Skripte seines Sprachunterrichts veröffentlicht er auf der Blogger-Plattform tumblr.

Neben dem Online-Sprachkurs hat Florian Werner zahlreiche Videos über Land und Leute in Japan gedreht. Darin teilt er mit den Zuschauern auch viele Eindrücke aus seiner Zeit im fernen Osten. So hat er jeweils ein Jahr in den Städten Matsumoto und Tsu verbracht.

Die beiden Jahre, in denen er in der japanischen Gesellschaft lebte, haben seine Leidenschaft noch verstärkt. Kurzerhand hat Werner noch einen weiteren Videokanal ins Leben gerufen: Flotaku. Der Name des eher popkulturell angelegten Channels setzt sich aus den Worten Florian und Otaku zusammen.

„Als Otaku bezeichnen sich vorwiegend europäische oder westliche Japan-Fans, die viel Zeit in ihre Leidenschaft für Anime, Manga und Videospiele investieren“, erklärt der YouTuber.

„Nachdem sich auf Florians Japan-Channel zunehmend Kritik häufte, dass ich zu viel über Popkultur rede, habe ich den zweiten Channel eröffnet. Auf Flotaku widme ich mich intensiv Themen wie Anime, Games, Manga und Visual Novels“, berichtet er.

Zusätzlich ist er auf Twitch.tv aktiv, wo ihn Zuschauer in Echtzeit beim Spielen japanischer Videospiele begleiten. Eine Sitzung kann da schon eine halbe Nacht dauern. Werner schildert, wie das in der Regel abläuft: „Meist wird in der ersten Stunde über Themen der Zuschauer gequatscht. Da geht es um angesagte Anime-Serien oder Fragen zum Japanologie-Studium. Danach spiele ich anschließend ein bis drei Stunden live ein japan-bezogenes Online-Spiel. Die Zuschauer treten dabei schriftlich per Chat mit mir in Kontakt.“

Am aktivsten ist der Chat übrigens laut Florian Werner, wenn er beim Spielen versagt. „Die Leute sehen es gern, wenn ich sterbe“, sagt er augenzwinkernd.

Insgesamt sei der Rahmen, in dem er sich im Internet als Japan-Fan und -Experte präsentiert, eher familiär. „Den Youtube-Kanal habe ich gestartet, ohne nachdenken. Inzwischen nehmen die sozialen Medien eine immer größere Rolle ein. Im Zuge der Digitalisierung ist das Außenbild immer wichtiger“, findet Werner.

„Mir haben die sozialen Medien mehr geholfen als geschadet. Meine Dozenten an der Uni haben meinen Kanal gekannt. Sie haben das Engagement gesehen, das ich da hineingesteckt habe. Letztlich konnte ich darüber sogar einen Stelle als studentische Hilfskraft bekommen.“

Auch im Verlagswesen war er durch seine Internetvideos kein Unbekannter mehr. Bei einem Gespräch mit einem Auftraggeber wurde er gefragt: „Bist du der Florian, der diese Rezension gemacht hat?“

Bei aller Selbstverwirklichung empfindet er dabei schon einen gewissen Druck, immer etwas Neues zu liefern, wie er sagt: „Du musst die Leute bei Stange halten. Das ist auch anstrengend, aber es macht Spaß, weil es mein Lebensinhalt ist.“

Gerade das Medium Anime habe ihn seit seiner Jugend in den Bann gezogen und bis heute nicht losgelassen, gesteht er.

„Mein erster Anime war die Serie ‚Elfenlied‘“, erinnert er sich. „Von der Handlung und der Sprache war das etwas total anderes als alles, was ich kannte. Beeindruckt hat mich vor allem die große Emotionsbreite innerhalb von nur 20 Minuten Sendezeit. Das bringt mich in eine emotionale Achterbahnfahrt.“

Werner ist es wichtig zu zeigen, dass Anime mehr ist, als die gängigen Vorurteile darüber vermuten lassen. Er sagt: „Anime setzen viele gleich mit dem Vormittagsprogramm von RTL. Aber Anime sind nicht zwingend an Kinder gerichtet“ So erklärt er, dass beliebte Trickfilmsendungen wie „Dragon Ball“, „One Piece“ oder „Naruto“ nicht für Minderjährige gedacht sind.

„Oder viele Leute denken bei Anime gleich an Schmuddelkram. Dabei ist das Medium in Japan thematisch so breit über alle Genres verteilt: Thriller, Romantik, Fantasy, das Alltagsleben von Japanern, Action, Psychothriller oder Coming-of-age-Story. Da ist für Erwachsene und Kinder was dabei“, erzählt der Anime-Begeisterte.

Um diese Vielfalt zu zeigen, möchte er in seinen Internetauftritten weniger die Themen bedienen, die sich in erster Linie an männliche Fans richten. Sein Ziel sei es, sagt er, mehr Frauen anzusprechen. Laut Nutzerstatistiken seiner Videokanäle schauen fast ausschließlich Männer seine Filme. Das möchte Werner ändern, indem er demnächst Otome-Games thematisiert, wie er ankündigt. „Das sind Spiele, in denen Frauen die Protagonisten sind. Das haben sich zwei regelmäßige Zuschauerinnen gewünscht. Außerdem möchte ich noch mehr kritische Diskussionen anregen, auch über Themen wie das Bildungssystem oder Sexismus in Japan.“