Anschlag auf Weihnachtsmarkt Landesopferbeauftragte: Es gab „atypisch wenig Tote“, weil viele Mediziner schon vor Ort waren
Die Landesopferbeauftragte hat im U-Ausschuss von inzwischen 1.650 Betroffenen gesprochen. Sie sagte außerdem: Weil viele Ärzte und Retter zufällig auf dem Weihnachtsmarkt waren, gab es „atypisch wenig Tote“.

Magdeburg. - Als die 13 Mitglieder des Untersuchungsausschusses an der Johanniskirche stehen, erinnern noch immer Kerzen, bemalte Steine, kleine Engel und Dutzende Teddys an die Amokfahrt vom 20. Dezember vergangenen Jahres. Die Landtagsabgeordneten haben sich gestern zu einem Vor-Ort-Termin getroffen, um sich ein Bild vom Tatort zu machen.
Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg: Untersuchungsausschuss bei Vor-Ort-Termin
Weniger als hundert Meter von der Kirche entfernt, an der die Untersuchungsausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (CDU) ein Blumengebinde des Landtags niederlegt, raste der 50-jährige Taleb A. mit einem angemieteten SUV über den Weihnachtsmarkt. Er tötete dabei sechs Menschen, 300 erlitten zum Teil schwerste Verletzungen.
Die Landespolitiker werden von Ken Gericke, dem Magdeburger Fachbereichsleiter für Stadtplanung und Vermessung, über den Markt geführt. Er informiert unter anderem darüber, dass mittlerweile versenkbare Poller bestellt wurden. Der erste soll im April am Rathaus installiert werden, um die Zufahrt zum Alten Markt zu verhindern. Drei bis vier weitere Poller würden im Sommer folgen.
Zudem erarbeite die Stadt ein Sicherheitskonzept für den Markt und die Zufahrtswege. Die Kosten für die Umsetzung liegen bei zehn bis 15 Millionen Euro. Außerdem soll der Markt umgestaltet werden – dafür sind etwa sieben Millionen Euro veranschlagt. Ohne Fördermittel könne die Stadt Magdeburg das jedoch nicht stemmen.
Ersthelfer sichern schnelle Hilfe bei Anschlag in Magdeburg
Insgesamt beläuft sich inzwischen die Zahl der Betroffenen auf 1.650. Das erklärte die Landesopferschutzbeauftragte bei ihrer Zeugenvernehmung im Ausschuss, wo sie als Fürsprecherin der Betroffenen geladen war. Auf eine direkte Befragung der Opfer verzichtete man bewusst, um mögliche Retraumatisierungen zu vermeiden.
Theren selbst sieht sich „als Lotsin für die Opfer“ – und von diesen habe sie viel Positives gehört. „Die Hilfe vor Ort hat schnell und sehr gut funktioniert“, sagt sie. Dass es bei dem Anschlag „atypisch wenig Tote“ gab, sei eine Art „Glück im Unglück“ gewesen. Laut Theren verbrachten an jenem Abend zufällig Mediziner und Pfleger der Unfallchirurgie einen gemeinsamen Abend auf dem Weihnachtsmarkt.
Auch andere ausgebildete Ersthelfer von Hilfsorganisationen waren vor Ort und wollten sich eigentlich einen schönen Abend machen. „Dadurch waren viele Einsatzkräfte schon da. Eine spezialisierte medizinische Einrichtung hat mir von einer besonders guten Erstversorgung berichtet“, so Theren.
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt: 84 Schwerstverletzte
Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass viele Betroffene lebensverändernde Verletzungen erlitten haben. Bei allem medizinischen Know-how werde bei den 84 Schwerstverletzten „nicht alles wieder gut werden“. Das sei auch für die Angehörigen eine extreme Belastung.
Die Landesopferschutzbeauftragte kritisierte vor allem, dass Betroffene ihre Daten und Erlebnisse bei verschiedenen Institutionen immer wieder erneut angeben mussten. Diese Belastung hätte reduziert werden können, wenn ihre Angaben – unter Einhaltung des Datenschutzes – einmal erfasst und potenziellen Hilfsstellen zur Verfügung gestellt worden wären.
Ein solches System fehle jedoch in Sachsen-Anhalt. Stattdessen seien alle Daten mühsam per Excel-Tabellen händisch bearbeitet und abgeglichen worden.