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Autobahnbau A 143 beschäftigt wieder die Justiz

Der Streit um den Bau der A 143 bei Halle geht weiter: ein Unternehmer beklagt Existenzgefährdung und bekommt Hilfe von Umweltaktivisten.

Von Jens Schmidt 29.05.2019, 01:01

Magdeburg l Eines vornweg: Die A 143 wurde im Frühjahr 2018 genehmigt. Dabei geht es um das noch fehlende 12 Kilometer lange Stück zwischen Halle-West und dem Anschluss an die A 14. Die vorbereitenden Bauarbeiten haben begonnen und gehen auch weiter. Die Archäologen ziehen erste Gräben. Bäume wurden gefällt. Anfang des Jahres haben Bauarbeiter die ersten beiden Pfeiler für die 1000 Meter lange Saale-Brücke gegossen. Jetzt erfolgt ein Belastungstest. Wenn im Juni die Ergebnisse vorliegen, können die Statiker das Bauwerk weiter planen. Auch die Umwelt-Firmen sind aktiv: Seit April bekommen Zauneidechsen neue Lebensräume. Dafür werden Äcker genutzt. Schutzzäune stehen schon.

Dennoch läuft zugleich ein Prozess – und es könnte noch schwierig werden mit dem ohnehin schon komplizierten Bau. Denn: Im Juni vorigen Jahres erhob Jürgen Rohrmoser, Chef und Inhaber der Kaolin- und Tonwerke Salzmünde, Klage. Grund: Die Trasse quert an einer Stelle Firmengelände. Es geht letztlich um ein gartengroßes Stückchen Land von 600 Quadratmetern. Der Autobahn-Bauherr – der Bund – wollte die Fläche abkaufen. Doch man wurde sich nicht einig. Dem Vernehmen nach wurde eine fünfstellige Summe geboten. Doch der Tonwerke-Inhaber gab an, er benötige die Fläche für eine Erweiterung. Im Boden liegt Kaolin - ein weißer Ton, wie er in der Fliesenindustrie hoch begehrt ist. Komme die Autobahn, sei seine unternehmerische Existenz massiv bedroht. Der Unternehmer versuchte voriges Jahr sogar per Eilantrag einen Baustopp zu erwirken – doch so viel Härte lehnten die Bundesrichter ab. Seine Interessen würden freilich gewürdigt – aber zugleich könnten die Bauvorbereitungen weitergehen.

Autobahn-Gegner witterten dennoch Morgenluft. Die Bürgerinitiative Saaletal startete sofort eine Online-Petition und rief zum Spenden auf. 735 Ablehner unterschrieben – vom Professor bis zur Künstlerin. Autobahn-Befürworter starteten in Halle ebenfalls eine Petition: Sie kamen auf 7611 Unterschriften.

Doch die Gegner sammelten zudem Geld. 23.788 Euro kamen zusammen. Damit werde Expertise bezahlt, um „die bevorstehende Naturzerstörung gutacherlich prüfen“ zu lassen, wie es auf der Internetseite heißt. Damit bekam der klagende Kaolin-Unternehmer Schützenhilfe. Denn: Er konnte sich auf die Daten stützen. Er peppte seine wirtschaftliche Klage um einen ganzen Katalog von Naturschutz-Fragen auf. Das ist möglich. Bei einer Klage darf jedermann alles vorbringen. Davon machte Kläger-Anwalt Peter Kremer gestern auch reichlich Gebrauch. Es ging daher vor allem um Stickoxide und Porphyrkuppen. Kein Wunder: Kremer war auch einst der Anwalt des Naturschutzbundes, der bereits 2005 gegen die A 143 geklagt hatte.

Die Autobahn quert ein streng geschütztes FFH-Gebiet. Das Bundesverwaltungsgericht stoppte 2007 den Bau. Die Planer vom bundeseigenen Unternehmen Deges mussten erheblich nachbessern. Das dauerte elf Jahre lang. So wird unter anderem ein fast 300 Meter langer Landschaftstunnel errichtet, damit die Straße die Landschaft nicht durchschneidet. Die Baukosten schnellten auf 350 Millionen Euro hoch. Mit einem Kilometer-Preis von 30 Millionen Euro ist dies die teuerste Straße in Sachsen-Anhalt. Der Nabu verzichtete 2018 auf eine erneute Klage. Der Tongruben-Betreiber nicht.

Auf der ab 2025 befahrbaren Piste soll in den sensiblen Zonen ein strenges Tempolimit gelten. In Richtung Halle 80, in Richtung Magdeburg 60. Richter Wolfgang Bier gab Sachsen-Anhalts Behörden auf, das Tempolimit streng und dauerhaft zu kontrollieren. Das Urteil fällt am 12. Juni.