1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Bei Oschersleben entdeckt: Polnische Knacker im NVA-Feldlager

Ostalgie Bei Oschersleben entdeckt: Polnische Knacker im NVA-Feldlager

Von Oliver Schlicht 16.07.2011, 06:32

Oschersleben. An ostalgischen Aktivitäten ist der aufmerksame Bewohner der neuen Bundesländer auch 21 Jahre nach dem Ableben der DDR gewöhnt. In Tangermünde guckt sich der Stadtbummelant zum Beispiel immer wieder gern im Ostprodukte-Versandgeschäft das ausliegende Warensortiment an: Jesuslatschen, Dederon-Kittel oder orangefarbende Eierpieker. Amüsante Wehmut mischt sich da mit zartem Schauder. Und auch die Herren am Straßenrand an der NVA-Gulaschkanone, die gern mal das originale Käppchen aufsetzen, nimmt der hungrige Ossi – und wohl auch der Wessi – schmunzelnd zur Kenntniss.

Nur was auf den unvorbereiteten Bördegast zukommt, der am Ortsrand von Oschersleben aus Richtung Motorsportpark über die Anderslebener Straße "einreist", ist doch schon ganz schön harter DDR-Tobak: Panzer mit Granatwerfern, Panzer mit MGs, Funkmasten, ein VP-Polizeiauto auf einem Hochstand, Mannschaftswagen, Sanitärautos, ein Agitation-und-Propaganda-B-100 mit Lautsprecheranlage und noch diverse andere Ostblock-Militär-Fahrzeuge. Kinder und Erwachsene dürfen das Kriegsgerät eintrittsfrei erklettern und erkriechen. Scharfe Munition ist nicht an Bord. Zumindest zeigen die umliegenden Stadthäuser keine Einschusslöcher.

Mittendrin in diesem Stadtrand-Feldlager steht ein typischer DDR-Flachbau: "Klubhaus der Werktätigen Ernst Thälmann" steht oben drüber. Draußen hängen altbekannte Fähnchen von DSF bis FDJ. Ein Püppchen in Polizeiuniform, unter einem Sonnenschirm auf einen Stuhl gesetzt, soll so etwas wie die Einlasskontrolle darstellen. Drinnen in der "Kantine" – so der offizielle Name – kann der Gast unterm Honeckerbild in real sozialistischem Ambiente speisen.

Die vorbeifahrenden Autofahrer kehren allerdings weniger in die "Werktätigen"-Kantine ein, sondern lassen sich direkt am Eingang zu diesem Militärkomplex an einem "Manöver-Unterstand" aus Gulasch-Kanonen beköstigen. Zur "echt polnischen Knacker" oder dem Grünen Bohneneintopf in gelben DDR-Plastikschüsseln wird dort auch gern Quick-Cola getrunken. Alle Tische sind hübsch bunt mit Papierfähnchen der Staaten der ehemaligen Waffenbrüderschaft dekoriert.

Seit knapp zwei Monaten gibt es diese seltsame Mischung aus Ost-Imbiss und Militär-Ausstellung. Ausgedacht hat sich den roten Zauber Mike Silabetzschiki, ein Oschersleber Autoverwerter. Der Mann betreibt gleich hinter dem eigentümlichen Rastplatz sein gewerbliches Autolager. Beruf und Hobby gehen bei dem Militärfan Hand in Hand. Aus seiner Sammelleidenschaft für ausrangierte Militärfahrzeuge wurde im Laufe von mehreren Jahren ein ansehnlicher Fuhrpark. Damit alle etwas davon haben, hat er nun am Rand seines Betriebsgeländes dieses "NVA-Disneyland" für die Öffentlichkeit eingerichtet. Mit Erfolg, wie es scheint. Das "Kanonenfutter" findet reichlich Absatz.

Wer Spaß an solcherart Os-talgie hat, sei eine polnische Knacker im "Klubhaus der Werktätigen" empfohlen. Der ortsansässige Oschersleber darf sich glücklich schätzen, dass nun stets genügend Wehrtechnik zur Verteidigung seiner Bördestadt einsatzfähig ist. Alle Männer im wehrfähigen Alter sollten sich im Angriffsfall am Sammelpunkt Anderslebener Straße einfinden.