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Hospizverein Wernigerode begleitet Schwerkranke und Sterbende Bereit für den Abschied vom Leben

Wer am Ende des Lebens angekommen ist, den bewegt vieles - Angst vor dem
Tod, Sorge um die Familie, aber auch der Rückblick auf das, was war.
Der Hospizverein Wernigerode begleitet Schwerkranke und Sterbende auf
ihrem letzten Weg.

Von Katrin Schröder 10.12.2013, 02:11

Wernigerode l Wenn Anke Beer zu Besuch kommt, dann bestimmt der Gastgeber das Programm. "Manchen liest man etwas vor, manchen singt man etwas, oft wird einem die Lebensgeschichte erzählt", sagt die Wernigeröderin. Sie engagiert sich seit zehn Jahren für den Hospizverein und begleitet Schwerkranke und Sterbende. 2003 wurde der Verein gegründet, der derzeit 35 Mitglieder zählt. Die Jüngste ist 25, die Älteste 78 Jahre alt. 17 von ihnen begleiten - nach einer entsprechenden Ausbildung - Schwerkranke und Sterbende.

Viele haben wie Anke Beer einen beruflichen Bezug zum Thema Tod. Als Physiotherapeutin hat sie in einem großen Krankenhaus gearbeitet. "Es hat mir nicht gefallen, wie mit den Sterbenden umgegangen wurde", sagt sie. Vom Hospizverein erzählte ihr eine Freundin. Anke Beer absolvierte den ersten Ausbildungskurs, gerade ist der dritte zu Ende gegangen. "Es geht viel um die Angehörigen, sie zu begleiten und zu stärken", sagt die 46-Jährige. "Das hätte ich so gar nicht erwartet." Die meisten Menschen hätten den Wunsch, zu Hause zu sterben, viele Angehörige wollen das ermöglichen. "Das ist aber gar nicht so einfach, wie man am Anfang denkt."

Das hat Marlies Prell die eigene Erfahrung gelehrt. Die pensionierte Sonderschullehrerin pflegte ihre Mutter zu Hause, drei Jahre lang. "Heute weiß ich, was ich anderen raten würde", sagt die 65-Jährige und fügt hinzu: "Ich wäre froh gewesen, wenn mir damals jemand zur Seite gestanden hätte." Er hätte vielleicht mehr Gelassenheit empfohlen, etwa was die Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen angeht.

"Wenn jemand todkrank ist und gerne ein richtiges Steak essen will, darf er das natürlich." - Carola Stockmann, Sterbebegleiterin

Denn wenn die Lebenszeit überschaubar geworden ist, zählt vor allem die Lebensqualität. Gesundheitliche Bedenken dürfen dann einmal zurücktreten, sagt Carola Stockmann. "Wenn jemand todkrank ist und gerne ein richtiges Steak essen will, dann darf er das natürlich." Die 50-Jährige ist stellvertretende Vereinsvorsitzende und leitet im Hauptberuf das Senioren- und Familienhaus Steingrube 8. Dort hat auch der Verein sein Domizil, darf die Räume kostenlos nutzen. Eins der Ziele des Vereins ist, dass der Tod nicht länger als Tabuthema gilt, sondern als Teil des Lebens. "Es geht uns um die Begleitung Lebender", sagt Hans-Christoph Wisch. Er ist Vorsitzender des Hospizvereins und leitet hauptberuflich das stationäre Hospiz Neustadt. Wichtig sei vor allem Ehrlichkeit.

Das sieht Peter Schaller genauso. "Jeder darf so sein, wie er ist", sagt der 55-Jährige. Schaller war 22 Jahre in der Altenpflege tätig und wusste, auf was er sich einlässt. "Ich habe keine Berührungsängste mit dem Tod. Ich kenne mittlerweile fast mehr Tote als Lebende", sagt er mit einem Augenzwinkern. Er ist einer von nur sieben Männern im Verein und der einzige, der in der Begleitung aktiv ist.

"Sterbende sprechen oft eher mit Fremden über den Tod als mit der eigenen Familie." - Marlies Prell, Sterbebegleiterin

Das Entscheidende ist, dass die Chemie zwischen Begleiter und Begleitetem stimmt - dann haben beide viel von der gemeinsamen Zeit. "Sterbende sprechen oftmals eher mit Fremden über den Tod als mit der eigenen Familie", sagt Marlies Prell. Viele hätten Angst, die Angehörigen zu belasten. "Es gibt aber auch Menschen, die sagen: Ich bin bereit, ich möchte gehen", erzählt die Begleiterin. Bei einem alten Menschen, der auf ein erfülltes Leben zurückblicke, sei das verständlich. Doch was viele belaste, sei das Alleinsein am Lebensende - weil die Familie zerbrochen ist, sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut hat oder die Angehörigen wenig Zeit haben, weil sie arbeiten müssen.

Da hilft es, wenn einmal die Woche ein Begleiter vorbeischaut, zuhört und dem Kranken mit Rat und Tat zur Seite steht. "Wir haben den großen Vorteil, dass wir Zeit haben", sagt Hans-Christoph Wisch. Wer mit Sterbenden zu tun hat, erlebt nicht nur Trauer und Abschied, sondern auch Schönes und Rührendes. Ein Mann, den Hans-Christoph Wisch begleitete, feierte seine Diamantene Hochzeit. Nach 60 Jahren Ehe sagte er: "Die größte und einzige Liebe meines Lebens war und ist meine Frau."