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Bezahlung Pflegeheime auf Tarif-Flucht

Im Öffentlichen Dienst legten die Gehälter für Pfleger zu. Doch viele bekommen deutlich weniger, sagt Gewerkschafter Bernd Becker.

Von Jens Schmidt 11.06.2018, 01:01

Volksstimme: Herr Becker, wie viele Pfleger bekommen in Sachsen-Anhalt noch Tarifgehälter des öffentlichen Dienstes – also den TVöD?

Bernd Becker: Nur noch sehr wenige. Selbst kommunale Krankenhäuser und Pflegeheime haben meist Haustarife und zahlen weniger. In Sachsen-Anhalt gibt es nur noch zwei kommunale Krankenhäuser, die direkt unter den Tarif des Öffentlichen Diensts fallen - nämlich Dessau und das Altmarkkrankenhaus Salzwedel. Alle anderen haben GmbHs gegründet und sind aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten, sie haben quasi Tarifflucht vollzogen. Auch das Städtische Klinikum Magdeburg oder die beiden Unikliniken in Magdeburg und Halle gehören dazu. Allerdings haben wir in den Kliniken Haustarife durchgesetzt, viele kommen mit 95 bis 99 Prozent nahe an den TVöD heran. Das Saalekreisklinikum zahlt jetzt 100 Prozent.

Wie sieht es bei den privaten Kliniken aus?

Dort wird oft deutlich schlechter bezahlt.

Was heißt das?

Im Mittel um die 90 Prozent vom TVöD. Die Salzlandkliniken von Ameos sind nicht bereit, Tarifverträge auf diesem Niveau abzuschließen. Die Klinik Börde-Neindorf ist derzeit tariflos. Noch schwieriger ist es, mit privaten Pflegeheimen Tarifverhandlungen aufzunehmen, da der Markt extrem zersplittert ist. Und noch verheerender ist die Lage bei der privaten ambulanten Pflege.

Was wird da gezahlt?

Der Mindestlohn für die Pflegehilfe liegt bei etwa 1700 Euro. Die Pflegefachkräfte sind von diesem Mindestlohn oft nicht weit weg. Soweit wir wissen, bewegen sich die Monatsgehälter zwischen 2000 und 2500 Euro – im Vergleich zum Tariflohn des TVöD fehlen da immer noch 30 Prozent. Dieser liegt bei 3000 Euro.

Mittlerweile bewegt sich aber auch bei den Privaten etwas, weil die Anbieter ansonsten keine Leute mehr bekommen. Die größere Dynamik  gibt es in den Städten, weil der Fachkräftemangel dort stärker spürbar ist. Auf dem Lande wird tendenziell schlechter bezahlt.

Wie sieht es bei öffentlichen Pflegeheim-Anbietern aus – wie AWO, Paritätischer oder DRK?

Auch bei den öffentlichen Pflegeheimen gibt es keines mehr, das den Tarif des Öffentlichen Diensts bezahlt. Mit der Paritätischen Tarifgemeinschaft haben wir jedoch vereinbart, dass die Gehälter bis 2019 stufenweise auf das TVöD-Niveau angehoben werden. Vor vier Jahren zahlten sie dort noch Löhne, die 20 Prozent unter diesem Niveau lagen. Mit der AWO haben wir Haustarifverträge, dort werden jetzt 90 bis 97 Prozent erreicht. Mit dem DRK sind wir derzeit in Verhandlungen.