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Beziehungen Herr Kollege, ich liebe dich

Jeder Fünfte hatte schon mal eine Beziehung mit einem Kollegen. Zwei Magdeburger Pärchen und eine Psychotherapeutin kennen sich da aus.

Von Elisa Sowieja 05.04.2019, 01:01

Magdeburg l Jeden Freitag haben Mandy und Andreas Hänisch ein Date beim Spanier um die Ecke. Bei Tapas und Rioja philosophieren sie dann über Wochenendpläne, das Studium von Töchterchen Luna, ihren nächsten Urlaub. Und danach über Monatsbilanzen, neue Haarkuren und darüber, ob sie im Urlaub ihren Laden schließen oder die Angestellten allein lassen. Seit 25 Jahren teilen die beiden ihr Leben, seit 18 Jahren ein Friseurgeschäft.

Liebe am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit. Eine Forsa-Umfrage unter Menschen mit festem Partner hat gezeigt, dass sich Paare am dritthäufigsten im Job kennenlernen; nur im Freundeskreis und beim Ausgehen ist die Chance, seinen Single-Status loszuwerden, höher. Und einer repräsentativen Studie des Meinungsforschungsinstituts OnePoll zufolge hatte knapp jeder fünfte Mitarbeiter schon mal eine langfristige Beziehung mit einem Kollegen. Die Statistik besagt allerdings auch: Knapp jedes zweite solcher Pärchen trennt sich wieder.

Eine Beziehung mit dem Kollegen birgt schließlich eine Menge Sprengstoff. Wenn man dann noch gemeinsam eine Firma leitet, sind die Herausforderungen umso größer. Siehe Ehepaar Hänisch. Wo sich andere nach einer morgendlichen Zackerei erst einmal aus dem Weg gehen, stehen die beiden den ganzen Tag lang in einem Raum, müssen sich ständig abstimmen – alles unter den Augen von Kunden und Angestellten; und sollte der Laden mal nicht laufen, stünde auf einen Schlag die Familien-Existenz auf dem Spiel.

Doch die Hänischs, beide Mitte 40, von der Art her aber eher Mitte 30, haben die beziehungstechnische Explosionsgefahr scheinbar gut im Griff. Mit charmanter Lässigkeit witzelt sie darüber, wie er früher das Flattern bekam, wenn der Laden mal eine halbe Stunde lang kundenfrei war. „Kein 9-Uhr-Termin im Kalender? Paaanik!“ Und er? Nimmt die Hand ans Kinn, grinst in sich hinein. Dann geikelt er mit.

„Ich finde, das ist ein Riesen-Vorteil, dass wir zusammen arbeiten", erzählt Mandy Hänisch. „Wir können uns in solchen Situationen gegenseitig beruhigen, wir müssen Entscheidungen nicht allein treffen. Und wir können uns die Aufgaben aufteilen.“ Wenn der Vertreter für sie schon auf der Matte steht, sie aber noch einen Bob fertig föhnen muss, springt eben er fix ein.

Damit unter der Doppelfunktion Ehe- und Geschäftspartner weder die Beziehung noch der Job leidet, trennen die Magdeburger Berufliches und Privates konsequent. Zum Beispiel mit besagtem Freitag-Abend-Date. „Im Restaurant wird alles Dienstliche besprochen“, erklärt Andreas Hänisch. „Und wenn wir rauskommen, reden wir nicht mehr darüber. Auch im Urlaub nicht.“ Andersherum nehmen sie Kabbeleien zu Hause nicht mit auf die Arbeit. „Wir reden dann nicht miteinander. Aber wenn wir uns abstimmen müssen, sprechen wir in einem normalen Ton.“ – „Genau. Im Kopf ist das einfach getrennt.“

Auch Alexandra Steg (27) und Sören Liebig (32) setzen in ihrer Beziehung am Arbeitsplatz auf Trennung von Bürostuhl und Sofa. Sie haben sich vor drei Jahren bei Bosch in Magdeburg kennengelernt, beide vermitteln dort als Disponenten ihren Kunden Termine mit Technikern, er sitzt schräg hinter ihr. Seit zwei Jahren sind sie ein Paar – im Büro erkennt das allerdings nur das geschulte Auge. An der Eingangstür wandern ihre Hände Tag für Tag auseinander, dort beginnt die turtelfreie Zone. „Nur, wenn man uns zusammen im Pausenraum sieht, merkt man, dass da etwas ist“, sagt Alexandra Steg.

Die beiden, erzählt sie weiter, schlagen sich auch nicht automatisch auf die Seite des anderen, wenn im Büro mal diskutiert wird. „Man muss immer sachlich bleiben.“ Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ihre Kollegen sie zu ihrem „Lieblingspärchen“ ernannt haben. „Wenn mal einer nicht da ist, wird der andere gleich gefragt: ‚Wo ist denn der Sören?‘ Oder ‚Wo ist denn die Alex?‘“ Neid oder Missgunst, sagt sie, gibt es nicht.

Mindestens genauso wichtig wie die Einstellung der Kollegen zu einer Beziehung im Job ist die des Chefs. Alexandra Steg und Sören Liebig gingen damals offensiv mit ihrer Liebe um. Sie erzählten ihrer Chefin gleich zu Beginn, dass sie zusammen sind.

Rechtlich verpflichtet gewesen wären sie dazu nicht, sagt der Magdeburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Frank Meyer. „Eine Liebesbeziehung betrifft die private Lebensführung. Deshalb darf sie auch nicht vom Chef untersagt werden.“ Das hat vor 14 Jahren das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden. Damals wollte die Supermarktkette Wal-Mart ihren Mitarbeitern Liebeleien untereinander verbieten.

Allerdings gibt es Ausnahmekonstellationen, bei denen der Arbeitgeber reagieren darf, erklärt Meyer: zum Beispiel, wenn ein Partner dem anderen untergeordnet ist oder der eine die Arbeit des anderen kontrolliert. „Der Chef darf dann jemanden versetzen, muss aber immer das mildeste Mittel anwenden.“ Bei Eheleuten hat er zudem den Schutz der Familie zu beachten, kann also nicht einfach den einen 500 Kilometer weit weg schicken. Dass eine Liebe im Job ein Fall fürs Gericht wird, ist Meyer zufolge selten. In gut 20 Arbeitsjahren hat sich bei ihm nur ein Paar zu dem Thema Rat geholt.

Die Chefin des Bosch-Paars reagierte damals zunächst mit Skepsis, erzählt Alexandra Steg. „Sie gab uns teils entgegengesetzte und teils gleiche Schichten, um zu testen, was am besten funktioniert.“ Gelandet ist sie aber bei letzterer Version. „Sie sagt, in derselben Schicht arbeiten wir produktiver, als wenn wir getrennt sind. Wir selbst merken das gar nicht. Ich weiß nur, dass ich besser drauf bin, wenn mein Partner in meiner Nähe ist.“

„Liebe am Arbeitsplatz kann motivierend wirken – nicht nur für das Paar, sondern sogar für die Kollegen“, sagt die Magdeburger Psychologin Dr. Carmen Beilfuß, die sich unter anderem auf Paartherapien spezialisiert hat. „Sie ist wie ein Gute-Laune-Boost – allerdings nur dann, wenn man die Liebe vernünftig ausdrückt.“

Sprich: Die Beziehung sollte so schnell wie möglich öffentlich gemacht werden, damit sich die Kollegen nicht hintergangen fühlen. Und mit Liebesgesten wie Rosen auf dem Tisch sollte man sich zurückhalten. „Das kann Neid hervorrufen, vor allem bei denen, die gerade nicht glücklich sind.“

Ohne den Segen ihrer Chefin wäre es schwer möglich, ihre Beziehung aufrechtzuerhalten, findet Alexandra Steg. Dass es bei dem Paar so gut läuft, liege aber auch an etwas anderem: an ihren Charakteren. „Wir können uns nicht lange böse sein, wir sprechen viel miteinander, und wir sind immer ehrlich – auch, wenn es um die Arbeit geht.“

So ist es für die 27-Jährige mehr ein Gewinn als eine Herausforderung, mit ihrem Freund den Job zu teilen. „Wenn es für den einen stressig ist, kann der andere ihn runterbringen. Außerdem hat man viel mehr Verständnis für die Arbeit des Partners, wenn man das Gleiche macht." Und wenn es ihnen zu viel wird, Tag und Nacht aufeinanderzuhocken? „Das ist uns noch nicht passiert, weil jeder seinen Freundeskreis und seine Hobbys hat." Er geht Volleyball spielen, sie verschlingt Manga-Hefte.

Dass die Charakterkonstellation mit entscheidet, ob eine Beziehung im Job funktioniert, findet auch Friseur-Ehepaar Hänisch. „Wir sind zwar nicht gleich, aber wir ticken gleich in dem, was wir wollen und wie wir die Arbeit sehen“, erzählt Mandy Hänisch. Er zum Beispiel betrachtet Probleme eher von der betriebswirtschaftlichen Seite, sie von der menschlichen. Doch wenn es ans Lösen geht, denken sie gleich: Keiner will aus Prinzip recht haben. „Wir reden so lange, bis wir die beste Entscheidung gefunden haben“, sagt ihr Mann. Das klingt doch zu vernünftig, um wahr zu sein. „Ist aber wirklich so. Wir müssen ja beide mit den Konsequenzen leben.“

Dass die Liebe bei anderen Konstellationen schnell in die Hecke gehen kann, hat Mandy Hänisch selbst miterlebt. Sie hat in einem Familienbetrieb gelernt – Mutter, Vater, Sohn, Schwiegertochter – und dabei zugesehen, wie die Beziehung des Sohnes zerbrach. „Die beiden waren grundverschieden, da war zum Beispiel einer fleißiger als der andere.“ Dass es bei ihnen nicht genauso werden würde, hätten sie zu Beginn gar nicht wissen können, sagt sie. „Wir haben uns für den Fall auch keinen Plan gemacht, sondern einfach darauf vertraut, dass es klappt. Und hatten Glück.“

An einem Punkt sehen es die Hänischs übrigens mit der Trennung zwischen Job und Freizeit nicht so eng: In ihrem Salon gibt's für den Lieblingskollegen auch mal einen Kuss vor versammelter Mannschaft. Und nicht nur das: „Mandy kriegt sogar ab und zu ’nen Poklatscher!“ – „Klar! Es ist ja schließlich unser Laden!“