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Das "Twin-Core" Magdeburg/Biere soll Deutschlands größtes Rechenzentrum werden. Von Oliver Schlicht Biere: Telekom baut mit Aussicht auf Bewölkung

25.10.2012, 01:14

Die Telekom baut ihren Standort Magdeburg zum größten Rechenzentrum Deutschlands aus. Dazu entsteht in Biere ein komplett neues Zentrum. Das "Twin-Core" Magdeburg/Biere soll Daten für die "Cloud"-Dienste der Zukunft verwalten.

Biere l "Datenwolke über Sachsen-Anhalt" - so titelte der Berliner Tagesspiegel am Montag. Dass die "Cloud" (dt. Wolke) tatsächlich in Biere bei Magdeburg für eine Großinvestition der Telekom sorgt, hat Ministerpräsident Reiner Haseloff gestern bei der Grundsteinlegung zu der Bemerkung verleitet, dass "Sachsen-Anhalt künftig europaweit in die erste Liga der IT-Standorte aufsteigt". Etwa 500 Gäste feierten eine Investition, die allein vom Flächenhunger so groß ist, dass "bereits aufgegebene Gewerbeflächen reaktivieren werden mussten", wie Bernd Nimmich, Bürgermeister der Gemeinde Bördeland - zu ihr gehört Biere - in seiner Rede freudig berichtete.

150000 Quadratmeter Fläche, so groß wie 30 Fußballfelder. 30000 Kubikmeter Beton sollen in den nächsten 18 Monaten verbaut werden. Die genaue Investitionssumme nennt die Telekom nicht. T-Systems-Geschäftsführer Ferri Abolhassan spricht im "Tagesspiegel" von einem niedrigen dreistelligen Euro-Millionenbetrag.

Das Zentrum wird an das Gibabit-Backbonenetz angeschlossen - die Hauptverkehrsader der Telekom. Der Strombedarf für den Komplex ist so gewaltig, dass der Bau eines eigenen Umspannwerkes nötig wird. Der Gesamtenergiebedarf soll gegenüber vergleichbaren Rechenzentren trotzdem um 27 Prozent verringert werden. Möglich machen soll das eine intelligente Anordnung der Server und eine daraus resultierende Steuerung der Luftzirkulation im Raum.

Neben einem Verwaltungsgebäude entstehen zunächst mehrere 23 Meter hohe Hallen mit insgesamt 4000 Quadratmeter IT-Fläche. "Wir bauen in Biere zunächst bis 2014 zwei Module mit jeweils 2000 Quadratmeter und auf dem Gelände des bestehenden Rechenzentrums in Magdeburg noch einmal ein Modul mit 2000 Quadratmeter IT-Fläche", erklärt T-Systems-Projektleiter Johannes Krafczyk. In jedem Modul stehen bis zu 1000 Racks - das sind über zwei Meter hohe Schaltschränke mit mehreren Server-Einheiten.

Intern wird bei der Telekom von einer "Betriebsstätte" in Biere gesprochen, sagt der Projektleiter. Der Hauptsitz des "Dynamic Data Center Magdeburg/Biere" - so der formell korrekte Name - ist Magdeburg. Das bestehende Rechenzentrum in der Landeshauptstadt und Biere bilden aber ab 2014 eine Einheit: ein "Twin-Core"-Rechenzentrum. Das sind geografisch getrennte, aber datentechnisch verbundene Paare, die ihre Daten "spiegeln", das heißt, gegenseitig absichern. Von den 90 deutschen Rechenzentren der Telekom sind 44 zu 22 "Twin-Core"-Rechenzentren zusammengefasst. Magdeburg/Biere gehört ab 2014 dazu. "Insgesamt wird Magdeburg/Biere beim Start in zwei Jahren über knapp 10000 Quadratmeter IT-Fläche verfügen", so Projektleiter Krafczyk.

Diese Größe allein lässt das Doppel-Rechenzentrum noch nicht in die erste Kategorie aufsteigen. Zum Vergleich: Im Januar dieses Jahres eröffnete die japanische KDDI Corporation in Frankfurt/Main das "Telehouse"-Datencenter mit einer IT-Fläche von 25000 Quadratmetern. Was das Zentrum Magdeburg/Biere von anderen Rechenzentren unterscheidet, ist sein enormes Ausbaupotenzial - und das fast ausschließlich in Biere.

Während der Bebauungsplan in Magdeburg nach dem derzeit in Bau befindlichen Modul nur noch Platz für ein weiteres bietet, besteht in Biere eine Ausbaumöglichkeit auf insgesamt 20 Module - mit dann 40000 Quadratmeter IT-Fläche. Johannes Krafczyk: "Wann dieser Ausbau passiert, hängt vom Geschäftsverlauf ab. Aber die Anbindung der Medien wie Wasser, Strom und Gas sind in Biere von Beginn an auf einen Ausbau dieser Dimension ausgelegt."

Und das "Cloud"-Geschäft verheißt derzeit eine rosige Zukunft für Rechenzentren generell und somit auch für Magdeburg/Biere. Daten nicht mehr auf dem Rechner zu Hause oder auf dem Server der Firma zu speichern, sondern in die "Cloud" - englisch für "Wolke" - auszulagern, wird ein großer Zukunftsmarkt vorhergesagt. "Der Bedarf soll bis 2016 um 34 Prozent steigen und eine weltweite Nachfrage von etwa 114 Milliarden Euro erzeugen", sagte gestern der T-Systems-Geschäftsführer, Ferri Abolhassan, bei der Grundsteinlegung in Biere. Unternehmen wie Shell und Daimler lagerten bereits ihre Daten in die Telekom-Cloud aus. "Wir gehen in Deutschland von einem starken Anstieg der Nachfrage aus", so der T-Systems-Chef.

Eine Einschätzung, die auch der IT-Fachverband Bitkom teilt. Nach einer Umfrage greift bereits jedes vierte Unternehmen in Deutschland auf Cloud-Dienste zurück. Auf 17 Milliarden Euro, so Bitkom, soll der Umsatz in diesem Bereich bis 2017 in Deutschland anwachsen.

Wenn das "Twin-Core"-Rechenzentrum Magdeburg/Biere tatsächlich an dieser Entwicklung teilnimmt, wird der Bedarf nach IT-Fachkräften in Sachsen-Anhalt stark ansteigen. Derzeit arbeiten in Magdeburg 750 Mitarbeiter im Rechenzentrum überwiegend in der Datenverarbeitung, in Biere sollen bis 2014 100 und in Magdeburg noch einmal 30 neue Mitarbeiter eingestellt werden. "Die Aussicht auf wissenschaftlichen Nachwuchs war ein wichtiges Argument für Magdeburg. Wir werden die hiesige gute Zusammenarbeit mit der Universität und dem SAP-Kompetenzzentrum fortsetzen", kündigte Ferri Abolhassan an.

Dass die Gemeinde Biere in Sachen Telekom-Ansiedlung wirklich alles Menschenmögliche unternommen hat, darauf machte Bürgermeister Bernd Nimmich zur Freude der Gäste aufmerksam. Abolhassans Ausführungen über Marder-Bisse, die schon - bei der Konkurrenz - ganze Rechenzentren lahmgelegt hätten, konterte Nimmich: "Marder haben wir hier nicht. Nur Hamster. Aber die wurden alle fachgerecht umgesiedelt." Meinung