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Büro-Typen Blick auf Sachsen-Anhalts Schreibtische

Der Schreibtisch ist die Schaltzentrale der Mächtigen. Wir haben in und um Magdeburg sechs Büros besucht. Sie bergen viele Geschichten.

15.12.2019, 00:00

Magdeburg l Hier werden wichtige Entscheidungen getroffen, bedeutende Dokumente unterzeichnet und Deals ausgehandelt: Der Schreibtisch ist die Schaltzentrale der Mächtigen. Die Volksstimme hat sechs Persönlichkeiten aus Sachsen-Anhalt an ihrem Arbeitsplatz besucht und einmal genauer hingeschaut. Schreibtische bergen viele Geschichten und sie verraten etwas über die Person, die an ihnen sitzt.
Es gibt Psychologen, die behaupten, ein Schreibtisch kann auch über Karrierechancen entscheiden. So unterschied der britische Wissenschaftler Cary Cooper in seiner Studie für das Computer-Unternehmen Logitech bereits 2003 fünf verschiedene Bürotypen. Hunderte Schreibtische hat er sich dafür angesehen. Vom Familenmenschen, Büro-Animateur bis hin zum chaosbeherrschenden Genie und Ordnungsfanatiker ist alles dabei.
Ein PC? Fehlanzeige! "Die meiste Arbeit erledige ich am Laptop auf dem Weg zu Terminen", sagt Petra Grimm-Benne (57). Die Sozialministerin gilt als nahbar und das spiegelt sich auch auf ihrem Schreibtisch wider. Will man Coopers Studie Glauben schenken, ist Grimm-Benne der Büro-Typ "Konstanter Familienmensch". Neben einem Familienfoto, das ihren Mann und die zwei Kinder zeigt, steht ein weiteres großes Foto vom jährlichen Familientreffen auf dem Tisch. Daneben: eine Sammlung kleiner Holzfiguren zum Aufziehen, Zeichnungen. "Auf die hier bin ich besonders stolz", sagt Grimm-Benne und deutet auf die Marie-Juchacz-Plakette. Es ist die höchste Auszeichnung der Arbeiterwohlfahrt, deren Landesvorsitzende Grimm-Benne von 2006 bis 2016 war. Ihre wichtigsten Amtshandlungen an diesem Schreibtisch: "Hier unterzeichne ich Gesetze, das ist immer etwas Besonderes. Dazu zählt in jedem Fall das neue Kinderförderungsgesetz."
Gordon Motsch (39), Inhaber der Agentur "Strichcode", verbringt die meiste Zeit am Schreibtisch im Winter. Im Frühjahr und Sommer arbeitet der Graffiti-Künstler tagsüber oft draußen. Erst kürzlich ist Motsch nach Magdeburg-Buckau gezogen und hat nun sein Homeoffice in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. Der 39-Jährige arbeitet im vierköpfigen Team an diversen Projekten - zuletzt für die IHK Magdeburg an einer Fläche mit 300 Quadratmetern. Deswegen zählen auch Sprühflaschen, Farbpaletten und Laptop sowie eine Kamera zu den Arbeitswerkzeugen, die immer bereitstehen. Motsch, studierter Industriedesigner, ist der Büro-Typ "Designverliebter Leader". Die Ausstattung ist bei diesem Büro-Typen immer auf dem neuesten Stand, auch High-Tech-Accessoires zählen dazu. Der designaffine Bürotyp legt Wert auf Ästhetik und telefoniert lieber, statt sich mit Schreibkram herumzuschlagen.
Jens Rieffenberg ist Chef der Autowerkstatt "Anhalt Garage" in Magdeburg. Wenngleich es wohl Schreibtische gibt, die weitaus unordentlicher sind, darf Rieffenberg durchaus in die Kategorie "Chaosbehrrschendes Genie" eingeordnet werden. Akten, Papiere, Ordner: Bei diesem Büro-Typ ist der Schreibtisch oft überladen. Und dennoch beherrscht er das Chaos. An Rieffensbergs Schreibtisch fallen manchmal auch "Todesurteile", wie der 54-Jährige sagt. Nämlich dann, wenn Fahrzeuge, die in seiner Werkstatt landen, nicht mehr gerettet werden können. Und das passiere ziemlich häufig - die Folge sind verzweifelte Gesichter und ein Abschied vom oftmals heiß geliebten Auto. Hier wird auch geraucht. Wie viele Stunden Rieffenberg täglich am Schreibtisch sitzt? Mindestens sechs - "also definitiv zu viele", so der gebürtige Magdeburger.
Schon ein kurzer Blick auf diesen Schreibtisch genügt, um einen Hinweis auf dessen Besitzer zu erhalten: Stilecht liegen auf dem Schreibtisch von Michael Kempchen, Intendant des Magdeburger Puppentheaters, Hohnsteiner Handpuppen aus den 1930er Jahren. Sie wurden für eine Figurenspielsammlung angekauft. Auch zu sehen: Programm-Vorschläge für die neue Spielzeit, Einladungskarten und viel Papierkram. "Vor dem Hintergrund einer überbordenden Bürokratie und eines immer umfassender werdenden Berichtswesens, ist mit einem Schreibtisch schwer klarzukommen", sagt Kempchen. Und so gehört der 61-Jährige gezwungenermaßen in die Kategorie "Chaosbeherrschendes Genie". Dieser Schreibtisch-Typ beherrscht das Multitasking und liebt seine Arbeit.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland reicht von Salzwedel bis Sonneberg, von Eisenach bis Bad Liebenwerda.Dementsprechend selten sieht dieser Schreibtisch seinen Besitzer. Wenn Landesbischof Friedrich Kramer doch einmal in Magdeburg ist, liegt das Gebets- und Gesangsbuch immer neben ihm. Chaos sucht man hier vergebens. Und so ist Kramer, der im September  in sein neues Amt eingeführt wurde, nach Coopers Definition der "Ordnungsfanatiker". Kramer arbeitet demnach strukturiert, effizient und gilt als zuverlässig. Für die Volksstimme-Leser hat der Landesbischof noch eine Botschaft auf seinem Schreibtisch hinterlassen.
Schlichte Eleganz, viel Holz und Edelstahl: Wer den Firmensitz von Teichert, Schulz & Partner betritt, weiß sofort, dass hier Architekten am Werk waren und sind. Dementsprechend schlicht sieht auch der Schreibtisch von Axel
Teichert in Biederitz aus. Der 60-Jährige ist Präsident der Architektenkammer Sachsen-Anhalt und als Professor an der Hochschule Anhalt tätig. Neben zahlreichen Fachbüchern und Entwürfen findet man auf seinem Schreibtisch vier kleine Buddha-Figuren. "Die habe ich aus China mitgebracht, sie strahlen alle etwas Positives aus", so Teichert. Daneben: Die "Querdenker"-Figur und eine Figur am Zeichenbrett. Auch Teichert gehört in die Kategorie "Ordnungsfanatiker".