Nur für Erwachsene

Einfach nur Zugucken geht nicht in einer Demokratie. Jeder von uns muss einiges mitbringen, damit eine Demokratie überhaupt funktionieren kann.

In vielen Ländern scheitert sie schon daran, dass die Menschen die notwendigen Voraussetzungen nicht mitbringen. Es fehlt vor allem an Respekt vor Andersdenkenden, vor dem Gesetz und den Regularien politischer Willensbildung.

Vor allem aber müssen wir erwachsen sein. Unser dauernd leuchtendes ICH muss auf ein verträgliches Maß heruntergedimmt sein. Der mündige Erwachsene ist geübt darin, Ungeduld, Wut und Frustration so weit zu beherrschen, dass sie das komplexe Kanalsystem der Demokratie nicht sprengt, sondern nur die Bewegung erzeugt, die Demokratie lebendig hält. Das ist die Zumutung, ohne die wir überhaupt keine friedliche Gesellschaft organisieren können.

Ansonsten ergeht es uns so wie dem Mann, von dem wir Freitag berichtet haben. Er scheitert am Aufbau seiner Küche, rastet aus und zertrümmert in seiner Wut die teuer erworbene Einrichtung.

Die Anzahl der Menschen, die nicht über das Maß an Disziplin verfügen, die Demokratie erfordert, nimmt zu. Wir haben über das beschämende Ausmaß des politischen Vandalismus in Sachsen-Anhalt berichtet.

Noch schlimmer aber, wenn sich die Raserei gegen die Demokratie selbst wendet.

Ein Zitat: „Alle Parteien haben das Volk belogen und betrogen. Keine hat es ehrlich gemeint und in der Praxis das auch nur versucht, was sie in der Theorie versprochen hatte. Sie kannten das Volk nur bei Wahlen (…) Sind die Parteien schlecht, dann heraus aus den Parteien und mit dem Volke gegen die Parteien!“

Der spätere NS-Propagandaminister Joseph Goebbels hat diese Strategie formuliert, die notwendig ins Chaos führt.

Demokraten sehen mit Besorgnis, dass seine Methode wieder ganz unbefangen aufgenommen wird.

Der AfD-Politiker Björn Höcke träumt von der Machtergreifung und formuliert einen ähnlichen Weg. „Es ist der Weg einer fundamentaloppositionellen Bewegungspartei“ sagt Höcke, „wir werden das so lange durchhalten, bis wir in diesem Lande 51 Prozent erreicht haben Es gibt keine Alternative im Etablierten.“ Er und seine Gesinnungsgenossen gewinnen immer mehr Einfluss in einer Partei, die als wichtige Stimme im demokratischen Wettbewerb gestartet war. Jetzt will Höcke den Systemwechsel: „Die AfD ist die letzte evolutionäre, sie ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland.“

Es geht um den Kampf gegen „Systemparteien“ oder „die Politiker“. Es geht nicht mehr um einzelne politische Inhalte. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun.

Insgesamt 42 Parteien treten insgesamt in den demokratischen Wettbewerb. Es sind auch Kleinstparteien mit durchaus lesenswerten Programmen und honorigen Kandidaten dabei. Ihnen geht es vordergründig nicht um Macht oder gar um die absolute Macht. Sondern darum, mit ihren Inhalten im demokratischen Wettbewerb vertreten zu sein.

Nur eine kleine Minderheit dieser Parteien spricht sich für die Abschaffung der Demokratie aus oder verfolgt den irren Traum von einer alles verdrängenden Volksbewegung.

Niemand ist gezwungen, einer dieser Parteien seine Stimme zu geben, um „denen da oben“ die Meinung zu geigen. Ein erwachsener Mensch zerschlägt seine Einrichtung nicht, nur weil ihm ein paar Ecken und Kanten nicht gefallen. Wer sein ICH auf ein sozial verträgliches Maß heruntergedimmt hat, wird unter dutzenden demokratischen Parteien Aussagen finden, mit denen er übereinstimmt.

Hunderttausende Menschen in dutzenden Parteien haben sich in den vergangenen Wochen mit ihrem meist ehrenamtlichen Engagement für die Demokratie eingesetzt. Sie haben sich vor allen anderen um den Erhalt einer lebendigen Demokratie verdient gemacht.

Ein mündiger Bürger, der sich für mehr verantwortlich fühlt als für sein eigenes Wohlergehen, zeigt diesen Menschen und der Gemeinschaft der Demokraten nicht die kalte Schulter. Mündige Bürger wählen demokratische Parteien. Für Erwachsene ist die Demokratie eine Einrichtung mit vielen Ecken und Kanten - wunderschön eben.

Alles Wichtige rund um die Bundestagswahl in der Übersicht.