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Datenschutz Mittelständler flüchten aus dem Internet

Die neuen Datenschutzregeln verunsichern Sachsen-Anhalts Betriebe und Vereine. Die ersten Unternehmen schließen ihren Internetauftritt.

Von Michael Bock 13.06.2018, 01:01

Magdeburg l Mittelstand und Vereine ächzen unter den Folgen der scharfen Datenschutzregeln. Diese gelten seit dem 25. Mai und führen auch in Sachsen-Anhalts Betrieben zu großer Unruhe. Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, sagte der Volksstimme am Dienstag: „Es herrscht eine enorme Verunsicherung – bis hin zu Enttäuschung und Wut.“ Viele Handwerker seien unsicher, ob sie auch alle geforderten Formalien korrekt einhalten könnten.

Etliche Firmen hätten deshalb bereits ihre Internetseiten geschlossen, sagte Grupe. Dabei spiele die Angst vor drohenden Bußgeldern und einer „Abmahn-Mafia“ eine große Rolle. Die Datenschutz-Grundverordnung sieht bei Verstößen Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens vor.

Die Handwerkskammer Magdeburg vertritt 12.700 Betriebe im nördlichen Sachsen-Anhalt.

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg – sie vertritt 51.000 Unternehmen – fällt das Stimmungsbild genauso aus. IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang März sagte der Volksstimme: „Die Unternehmen sind extrem verunsichert. Sehr viele haben ihre Internetseiten vorübergehend offline genommen, um sie den neuen Bestimmungen anzupassen. Die Angst vor Abmahnungen ist groß. Der Beratungsbedarf, der auch an uns herangetragen wird, ist enorm.“

Laut einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft haben schon 44 Prozent der Firmen ihre Online-Aktivitäten etwas und weitere 26 Prozent sehr eingeschränkt.

Es bestehe „erhebliche Rechtsunsicherheit“, sagte der Präsident des Deutschen Mittelstandsverbunds, Günter Althaus, der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Dies führe zu einer „Lähmung der digitalen Potenziale gerade im Mittelstand“. Für neue Unruhe sorgte vor einigen Tagen der Europäische Gerichtshof mit seiner Entscheidung, dass Betreiber von Facebook-Seiten datenschutzrechtlich mitverantwortlich seien für etwaige Datenschutzverstöße des Digitalkonzerns.

Der Museumsverband Sachsen-Anhalt hat Konsequenzen gezogen: Er hat gestern die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter stillgelegt. In einer Erläuterung der Geschäftsführerin, Susanne Kopp-Sievers, heißt es: „Problematisch ist die Verarbeitung von Nutzerdaten in sozialen Medien wie Facebook, weil wir nicht genau wissen, welche Daten Facebook für welche Zwecke und in welcher Form verarbeitet.“ Da ein Verstoß gegen die neuen Datenschutzregeln nicht ausgeschlossen werden könne und gegebenfalls hohe Bußgelder zu erwarten seien, sei der Vorstand nicht bereit, „dieses hohe Risiko zu tragen“.

Der Museumsverband betonte, er sei einer Empfehlung des Landesdatenschutzbeauftragten Harald von Bose gefolgt. Dieser war gestern trotz mehrerer Versuche für die Volksstimme nicht erreichbar.