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DDR-Museum Schließung und Wiedereröffnung

Seit 14 Jahren gibt es im Bördekreis ein DDR-Museum. Doch das öffnet zu Pfingsten zum letzten Mal die Türen in Langenweddingen.

Von Bernd Kaufholz 17.05.2018, 01:01

Langenweddingen l Wer die DDR-Ausstellung in Langenweddingen betritt, dessen Blick fällt sofort auf ein DDR-Emblem – Durchmesser 1,30 Meter, Duroplast, schwarz-rot-gold. Das einstige Hoheitszeichen hatte bis 1990 einen prominenten Platz. Es zierte am ehemaligen Autobahn-Grenzübergang Marienborn in luftiger Höhe ein Beton-Monument. Die Doppelsäule steht noch, dort, wo die beiden Embleme hingen, ist heute ein Loch.

„Als ich es übernommen habe, war es total verdreckt und kaum noch zu erkennen“, erzählt „Museums-Direktor“ Dirk Grüner. „Ich habe mich an die DDR-Autopolitur erinnert, mit der ich schon so machen Fleck wegbekommen habe. Und nach einigen Stunden kamen die Konturen auch wirklich wieder zum Vorschein.“

Seit dem 3. Oktober 2004 gibt es die Sammlung in 20 Räumen auf vier Etagen. Die Idee dazu habe er bereits ein Jahr zuvor gehabt, so Grüner. „In Schönebeck hat es 2003 eine Wanderausstellung im Kulturhaus gegeben. Die habe ich mir angesehen. Danach habe ich zwei Plastiktüten mit DDR-Sachen gepackt, um sie der Ausstellung zu schenken. Aber aus irgendeinem Grund blieben sie zu Hause stehen.“

In ihm sei die Idee gereift, die Sache richtig anzupacken und eine feste Ausstellung aufzubauen. „Meiner Meinung nach gab es so etwas damals in Sachsen-Anhalt noch nicht.“

Ein Jahr lang habe er die Trödelmärkte durchforstet, um DDR-Original zu ergattern. „Ich lege Wert auf das Wort .original‘, denn was heute in einigen DDR-Sammlungen gezeigt wird, ist ,Nachwende-Produktion‘.“ Sobald ein Strichcode aufgeklebt sei, komme das Teil nicht in sein Regal, sagt Grüner. „Am liebsten nehme ich Gegenstände, an denen noch das EVP-Schild (Endverbraucherpreis) hängt.“

Der Sammler hält zwei Spielzeug-Trabis hoch. „Die wurden nur aus Plastik hergestellt. Es gibt sie aber auch aus Blech – Nachwendeproduktion. Andere Dinge, besonders auf dem Spielzeugsektor, sehen zwar original aus. Aber wenn man sie umdreht, steht ,Made in Hongkong‘ drauf.“

Der 48-Jährige kann zu vielen Ausstellungsstücken eine Geschichte erzählen. Doch Pfingsten das letzte Mal. Danach fällt in Langenweddingen der Vorhang für das Familienunternehmen, das vollkommen ohne staatliche Mittel auskommt und auch kein Eintrittsgeld verlangen kann, weil es die Kriterien eines „ordentlichen Museums“ nicht erfüllt. Wozu gehört, dass es Erläuterungen zu jedem ausgestellten Gegenstand gibt.

„Bis zum 31. Oktober müssen wir hier raus sein“, sagt Grüner und der Unmut ist ihm anzusehen. Die Gemeinde Sülzetal habe zwar immer betont, wie wichtig diese Sammlung ist, um anhand von Alltagsgegenständen auch den Jungen zu erklären, wie das Leben in der DDR ablief. Doch nun rolle die Abrissbirne an, um den mehr als 130 Jahre alten Bau plattzumachen – für einen Ersatzkindertagesstättenbau.

Rund 40 Tonnen DDR – 30 Schaufensterpuppen und rund 60.000 Einzelstücke – müssen verpackt werden. Dafür stehen 700 Umzugskartons bereit.

Doch das Ende der Sammlung ist damit nicht eingeläutet, verrät Grüner, hält sich aber mit Details noch bedeckt. „Wir gehen nach Magdeburg, so viel kann ich schon verraten. Dort stellen wir dann auf 300 Quadratmetern aus.“ Es werde ein „echtes“ Museum werden – wie es im Buche stehe. Der Noch-Langenweddinger hat seinem Hobby, was demnächst sogar zum Job wird, ein Motto gegeben: „Positiv erinnern, nicht politisch provozieren“. Darum findet der Besucher auch nichts über die Staatssicherheit in der Ausstellung. „In Magdeburg am Moritzplatz gibt es eine sehr informative Gedenkstätte. Wer sich über das MfS informieren möchte, kann das dort viel besser tun, als ich es hier könnte.“

Natürlich habe er gewusst, dass seine Ausstellung nicht nur Freunde findet. Doch er könne damit leben, dass er von einigen als „Nostalgiker“ oder „ewig Gestriger“ bezeichnet werde. „Bis auf einige NVA- und Polizeiuniformen sowie Orden dreht sich alles um den Alltag in der DDR“, sagt der Mann, der darauf Wert legt, dass weder seine Eltern, die ihn bei seiner Sammel- und Ausstellungsleidenschaft von Anfang an unterstützt haben, noch er selbst jemals in der SED gewesen seien.

Beim Gang über die vier Etagen mit den vollgepackten Regalen erfährt der Besucher manche Geschichte und findet das eine oder andere Kuriose. Schon allein die Tatsache, dass im „Konsum“ 480 Flaschen mit Spirituosen stehen – darunter „Goldwasser“, das zum stolzen Preis von 44 Mark über den Ladentisch ging. Gleich daneben die Vitrine mit den „Glimmstängeln“. „F 58 hießen die ersten DDR-Filter-Zigaretten“, deutet Grüner auf eine Schachtel.

Die große elektrische Kaffeemühle, in der der Kunde seinen „Rondo“ selber mahlen konnte, ist ebenso zu sehen, wie reihenweise Obst- und Gemüsekonserven.

Im „Heimelektronik“-Raum stehen die ersten Fernseher, darunter der „Weißensee“ von Stern Radio Berlin, das erste Allstromgerät der DDR mit einer 21-Zentimeter-Bildröhre, sowie das teuerste Farb-TV-Gerät, der „Colorlux“ für rund 7000 Mark vom Fernsehgerätwerk Staßfurt. Weitaus preiswerter war da schon der „Kosmos“-Taschenempfänger. Das sowjetische Kleinradio, Abmessung: 60 x 70 x 30 Millimeter mit einem Gewicht (einschließlich Batterie) von 200 Gramm, gab es schon für 69 Mark.

Ein Bräutigam steht etwas unentschlossen in einem Wohnzimmer, das mit 40 Jahren DDR vollgepfropft ist. Die Schaufensterpuppe trägt einen „Präsent 20“-Anzug – herrlich luftundurchlässig und nach ein paar Mal Tragen einen „herben“ Duft ausströmend.

Auf dem Tisch ein Wunderwerk der Technik – ein „Flifa“- Getränke-Fix aus Plaste, hergestellt in Annaberg-Buchholz. Die Konstruktion ist simpel: Ein Plastikröhrchen in die Schnapsflasche gesteckt und dann die kleine Gummipumpe, die mit einem Schlauch mit dem Röhrchen verbunden ist, bedienen und schon umgeht man das schweißtreibende Einschenken von Hochprozentigem. Der Schnaps läuft zielgenau in die Gläser.

Sonnabend bis Montag ist das „Ostalgie-Kabinett“ in Langenweddingen, Lange Straße 35a, von 14 bis 18 Uhr geöffnet.