Dehoga beklagt Schwarz-Gastronomie in Vereinen und Bürgerhäusern
Dessau l Etwa 200 Gastwirte und Hoteliers haben sich gestern zum Verbandstag des "Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes" (Dehoga) in Dessau getroffen. In dem Fachverband sind landesweit derzeit 1024 Unternehmen organisiert. Die Branche steht aktuell vor großen Herausforderungen. Dies wurde in mehreren Rednerbeiträgen deutlich. Neben dem Fachkräftemangel betrifft dies Fragen der - aus Verbandssicht - ungerechten Mehrwertbesteuerung von Speisen und die für 2013 angekündigte Erhöhung von GEMA-Gebühren, die beim Abspielen von Musik in Kneipen und Diskotheken fällig werden. Dass Sachsen-Anhalt bislang kein eigenes Gaststättengesetz hat, wurde ebenfalls kritisiert.
Sachsen-Anhalts Dehoga-Präsident Frank Doepelheuer beklagte in seiner Rede, dass die durschnittliche Verweildauer von Gästen in Hotels des Landes seit Jahren stagniere. Sie beträgt derzeit 1,9 Tage pro Gast. "Die Bettenauslastung der Betriebe schwankt regional stark. Betriebe an ausgewählten Standorten und entlang der Autobahnen sind gut ausgelastet. Andernorts herrscht eine latente Insol-venzgefahr", so Doepelheuer. Viele Gaststätten im ländlichen Raum erwirtschaften weniger als 250000 Euro Jahresumsatz. "Da arbeiten dann die Familienmitglieder 60 Wochenstunden und mehr."
Doepelheuer sprach sich gegen einen Mindestlohn aus. "Es gibt in Sachsen-Anhalt einen Tariflohn, der auf der untersten Stufe 8,50 Euro umfasst. Das entspricht in der Höhe den diskutierten Mindestlöhnen." Trotzdem kämpfen Hoteliers und Gaststättenbesitzer mit Nachwuchsmangel bei Fachkräften und Auszubildenden. In Sachsen-Anhalt sollen deswegen auch verstärkt ausländische Arbeitnehmer für den Dienstleistungsbereich angeworben werden. Doepelheuer: "In diesem Jahr werden 112 türkische Praktikanten zur Beendigung ihrer Ausbildung nach Sachsen-Anhalt kommen. In der vergangenen Woche wurde daneben ein Abkommen darüber geschlossen, dass demnächst 50 Südafrikaner für ein einjähriges Praktikum in Sachsen-Anhalt eingesetzt werden."
Der Dehoga-Landespräsident beklagte, dass es vielen Gaststätten an Alleinstellungsmerkmalen mangelt. Auch werde die regionale Küche zu wenig angeboten. Ernst Fischer, Bundespräsident der Dehoga, nahm in seiner Rede dieses Thema auf. "Ich möchte an Sie appellieren, Ihren Gästen gutes hochwertiges Essen anzubieten und nicht schnell und billig. Wir müssen den Menschen vermitteln, dass gutes Essen Geld kostet. Anders geht es nicht", so Fischer. Spontanen Beifall bekam Fischer für die Bemerkung: "Die Menschen sitzen heute vorm Fernseher und bewundern die Köche in Kochshows und dabei essen sie Industriepizza. Das passt nicht zusammen."
Der Dehoga-Bundespräsident forderte eine Gleichbehandlung bei der Mehrwertbesteuerung von Speisen. Der reduzierte Steuersatz von sieben Prozent müsse für alle Unternehmen gelten. Fischer: "Bäcker und Fleischer bezahlen sieben Prozent, die Gaststätte nebenan 19 Prozent. Für eine Currywurst, die im Stehen gegessen wird, müssen nur sieben Prozent abgeführt werden, wer dem Gast einen Platz zur Verfügung stellt, zahlt 19 Prozent." Fischer wollte das nicht falsch verstanden wissen: "Wir kritisieren nicht den Zeitgeist. Aber Esskultur, die sich Zeit nimmt, darf nicht noch bestraft werden."
Fischer ging in seiner Rede auch auf das Problem ein, dass Gaststätten in Vereins- und Bürgerhäusern Konkurrenz erwachse, weil diese mit gastronomischen Angeboten weitgehend unkontrolliert Gäste bewirten würden. "Das ist eine Schwarz-Gastronomie, die da staatlich subventioniert entstanden ist. Maßnahmen sind überfällig, diese Entwicklung einzugrenzen", so Fischer.
Wolfgang Schildhauer, Hauptgeschäftsführer vom Dehoga Sachsen-Anhalt, erläuterte am Rande der Tagung den Hintergrund: "Seit 2007 ist es den Ländern freigestellt, den Betrieb und die Genehmigung von gastronomischen Einrichtungen in einem Gaststättengesetz zu regeln. Bis das nicht passiert, gilt das alte Bundesgesetz. In Sachsen-Anhalt ist noch nichts passiert." Nachbarländer wie Niedersachsen, Sachsen und Thüringen hätten bereits Landesgesetze verabschiedet. "Unser Wirtschaftsministerium arbeitet daran, einen ersten Entwurf vorzulegen. Es würde uns sehr freuen, zu Weihnachten diesen Entwurf überreicht zu bekommen", sagte Schildhauer. Ein Landesgaststättengesetz regele zum Beispiel auch Fragen, in welcher hygienerechtlichen Form Gastronomie in Vereinen, in Kirchengemeinden oder in Bürgerhäusern angeboten werden darf und wie Kontrollen und Genehmigungen organisiert werden müssen.
Aus dem Wirtschaftsministerium verlautete gestern auf Volksstimme-Nachfrage: Der Dehoga und den Kammern sei bei einer Anhörung zum Gaststättengesetz im Sommer zugesagt worden, einen "zu erarbeitenden Entwurf zunächst intern mit ihnen zu besprechen". Dieses Gespräch solle noch in diesem Jahr stattfinden, kündigt das Ministerium an. "Die Frage nach der hygienerechtlichen Gleichstellung ist so komplex, dass sie in verschiedene Zuständigkeiten fällt, und deshalb allgemein nicht zu beantworten ist", schreibt das Wirtschaftsministerium.Seite 5