Ortschaften an Elbe und Saale drohen neue Überflutungen wegen steigender Grundwasserspiegel / Versicherer wollen für Schäden nicht zahlen Dem Hochwasser folgt das Grundwasser
Magdeburg. Es ist eine Art doppelter Fluch: die Ortschaften, die in den vergangenen Wochen von den Hochwassern der Elbe und Saale heimgesucht wurden, könnten es nun mit einem Anstieg des Grundwassers zu tun bekommen. "Das Hochwasser beeinflusst die Grundwasserströme", erklärt Mathias Weiland vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Gerade in unmittelbarer Nähe der Flüsse komme es zu einem Grundwasseranstieg.
Grund hierfür ist laut dem Experten eine Umkehr der Wasserströme. Normalerweise sammelt sich Regenwasser im Boden und fließt in die Flüsse ab. "Jetzt drückt das Hochwasser in die Gesteinsschichten und staut das Regenwasser auf", erläutert Weiland. Gerade in flachen Gegenden dränge das dann an die Oberfläche.
Und flache Landstriche gibt es in Sachsen-Anhalt viele. Laut dem Umweltministerium sind 27 Prozent der gesamten Landesfläche grundsätzlich vernässungsgefährdet. Brennpunkte gebe es im Salzlandkreis, Landkreis Anhalt-Bitterfeld und im Saalekreis. In diesen Gebieten liege der Grundwasserspiegel weniger als zwei Meter unter der Erdoberfläche - im Prinzip also auf Kellergeschoss-Niveau.
"Es ist halt ein riesiges hydraulisches System."
LHW-Experte Mathias Weiland
LHW-Experte Weiland geht davon aus, dass vor allem Schönebeck, Barby und Calbe zunehmend Probleme mit Grundwasser bekommen, weil in dem Gebiet die Saale in die Elbe mündet.
Erste Fälle von eindringendem Grundwasser gibt es dort auch schon: Bereits seit Tagen laufen die Pumpen bei Arne Broßat. Im Keller seines Wohnhauses im Schönebecker Stadtteil Felgeleben sammelt sich stetig Wasser aus der Tiefe.
Auch Bürgerinitiativen und Vertreter der betroffenen Kommunen haben sich unlängst an die Landesregierung gewandt und fordern Sofortmaßnahmen zur Schadensabwehr. "Für unsere Region ist es erforderlich, ein ständiges Abpumpen aller Entwässerungsgräben, Baggerseen und Teiche (...) vorzunehmen", heißt es in einem Schreiben.
Dem Umweltministerium liegt der Brief laut Sprecher Detlef Thiel jedoch nicht vor. Er weist aber darauf hin, dass das Land schon Anfang 2012 30 Millionen Euro für Entwässerungsprojekte in Kommunen bereitgestellt hat. Allerdings konnte das Ministerium bislang nur 3,2 Millionen Euro tatsächlich bewilligen.
So ist auch ein Modellprojekt in Schönebeck noch nicht über die Planungsphase hinausgekommen. Das könnte sich nun rächen, wenn das Grundwasser weiter an die Oberfläche drängt. Laut LHW-Experte Weiland kann dies in den kommenden 14 Tagen der Fall sein. Eine Entlastung gebe es erst, wenn das Grundwasser wieder zurück in die Flüsse fließen kann. "Es ist halt ein riesiges hydraulisches System", so Weiland. Entschärfend wirke momentan lediglich der zunehmende Wasserbedarf von Pflanzen und die Sommerhitze, die mehr Wasser verdunsten lässt.
Ist das Grundwasser erst einmal im Haus, bleiben Eigentümer in der Regel auf ihrem Schaden auch noch sitzen. Denn laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zahlen Versicherungen nicht für Grundwasserschäden, weil sich die Ursachen oft nicht eindeutig klären lassen könnten.
Gegenüber der Volksstimme hatte die Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalts die Haltung der Versicherer aber bereits kritisiert. VdWg-Sprecher Ronald Meißner forderte, die Versicherungswirtschaft müsste den Zusammenhang zwischen Hochwasser und steigenden Grundwasserpegeln endlich anerkennen.