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Denkmalpreis Mit alten Münzen auf Zeitreise

Ulrich Fach aus Quenstedt ist ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger. Er geht immer wieder auf Zeitreise und wurde nun dafür ausgezeichnet.

Von Melanie Dahrendorf 03.11.2019, 00:01

Zerbst l Alles begann mit vorgeschichtliche Scherben und uralten Teilen von Hirschgeweihen, die auf einem Acker lagen. Der damals 13-jährige Ulrich Fach ging spazieren – und sein Interesse an Fundmünzen war geweckt. Seine erste Entdeckung lieferte kleine Funde aus der spätrömischen Kaiserzeit – und waren Anlass, 1960 auf dieser Fläche eine planmäßige Grabung durch Archäologen aus Halle durchzuführen.

Ulrich Fach ist heute 74 Jahre alt und muss schmunzeln, wenn er sich an seine damalige Tour erinnert. Jetzt, viele Jahre später, wird Ulrich Fach vom Land Sachsen-Anhalt mit dem Denkmalpreis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Er hat bis heute ca. 1500 Münzen bestimmt, sie wissenschaftlich ausgewertet und publiziert. Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU) hat das ehrenamtliche Engagement für den Denkmalschutz am Donnerstag gewürdigt: „Die Bewahrung unserer Denkmallandschaft wäre ohne Mitwirkung der Bürgerschaft undenkbar“, so Robra.

Ulrich Fach ist ein bescheidener Mann. Zwar spricht er gern über sein Hobby und das damit verbundene Ehrenamt. Was er aber wirklich geleistet hat, scheint ihm erst wieder bewusst zu werden, als seine Frau ihn bei seinen Erzählungen hin und wieder unterbrechen muss. „Man merkt, dass er für die Münzen brennt“, erzählt Margrit Fach lächelnd. „Manchmal beschäftigt ihn ein Fund so sehr, dass er abends nochmal vom Sofa aufsteht und in den Keller geht.“

Vor ihrem Mann liegen etliche Münzen auf dem Tisch, sorgfältig in durchsichtigen Tüten aufbewahrt und beschriftet. Fein säuberlich stehen Bezeichnung, Ort, Jahr und Gewicht daneben. Zu jeder der Münzen kann er einen geschichtlichen Hintergrund, zumindest aber eine kleine Anekdote erzählen.

Ulrich Fach betont, dass er die Münzen meist nur bestimmt – und nicht selbst entdeckt hat. Meistens bekommt er Fotos zugeschickt oder sieht sich vor Ort die Fundmünzen an, die er näher bestimmen soll – und das kann dauern. „Schneller geht es natürlich, wenn sich herauskristallisiert, dass es sich bei der Münze doch nur um einen Knopf handelt“, scherzt Ulrich Fach. „Manchmal muss man selbst bei einer beschmutzten Münze schon grinsen, weil man genau weiß, was sich darunter verbirgt.“ Seit 1972 ist er ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger des Landkreises Zerbst. Und mit all den Jahren des Ehrenamtes kamen auch viele Momente, an die sich Ulrich Fach gern erinnert.

Einer davon war im Jahr 2006 in Loburg. Bei einer Renovierung wurden in der St. Laurentiuskirche die Fliesen entfernt, ein Handwerker fand dabei zwei Tonkrüge. Was da noch niemand ahnt: In diesem Krügen befinden sich 721 Münzen. Ein Volltreffer, bestehend aus wertvollen und alten Münzen, die Ulrich Fach jetzt bestimmen darf. Es beginnt der Teil, der für ihn am spannendsten ist: Er wälzt Kirchenbücher, tätigt Anrufe und versucht, die Reise der Münze nachzuverfolgen – wie in diesem Fall die Geschichte der Fundmünzen aus dem 30-jährigen Krieg. Die Münzen, die eine Zeitspanne von 150 Jahren umfassen, stammen von über 50 verschiedenen Münzherren.

Seit 2000 hat Ulrich Fach auch Münzen aus den Kirchen von Oberwiederstedt, Stedten (beides im Mansfelder Land) und Eisleben bestimmt, dabei waren auch Fundstücke von verschiedenen Grabungen in der Lutherstadt Wittenberg. Eines der wichtigsten Hilfsmittel seien dabei die Kirchenbücher. „Man muss unendlich viel Zeit mitbringen“, ergänzt er. Viele Münzen seien über hundert Jahre alt und auf den ersten Blick nicht näher bestimmbar.

Der Bestimmungsprozess erfordert oft nicht nur viel Zeit, sondern auch Fingerspitzengefühl: Die Münzen werden gereinigt und in eine Schale mit einer speziellen Lösung gelegt. Dass dabei nicht immer alles reibungslos verläuft, weiß Ulrich Fach aus eigener Erfahrung gut:Einmal musste er drei Teile wieder herausholen. Die Münze war auseinandergefallen. Das könne passieren, da manche Silberplättchen sehr dünn seien. „Ich mache die Münzen ja nicht ausstellungsfertig, ein gelernter Restaurator oder Archäologe bin ich ebenfalls nicht“, sagt Ulrich Fach.

Dennoch mache es ihm viel Spaß, Dinge zu entdecken. „Man muss viel lesen und sich mit Geschichte befassen.“ Dazu gehöre für ihn auch, sich mit deutscher Schrift zu befassen und diese zu entziffern. Ein Beispiel war die Sütterlinschrift, die 1915 bis etwa 1942 und dann noch einmal um 1954 in deutschen Schulen unterrichtet wurde. „Ich wollte die Briefe meines Großvaters lesen können, daher war das Erlernen für mich ein wichtiges Mittel“, sagt Ulrich Fach.

Durch Kontakte haben sich nach und nach immer mehr Aufträge ergeben – und auch der Bekanntenkreis von Ulrich Fach und seiner Ehefrau habe sich dadurch erweitert. „Die meisten Anfragen kommen aus der Region, hin und wieder fährt man aber auch weiter, um sich die Funde vor Ort anzusehen.“ Dann geht er ins Heimatmuseum oder in historische Bibliotheken. Mittlerweile hilft auch das Internet, um den entscheidenden Impuls für das Alter und die Art der Münze zu bekommen und sie endgültig bestimmen zu können. Behalten werden dürfen gefundene Münzen nicht – sie gehören dem Land und müssen abgegeben werden.

Ulrich Fach arbeitet eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt zusammen. Generell sei das Land ein Vorreiter, was die Anzahl von Münzfunden angehe. Bereits 2017 wurden im Projekt „Digital Heritage“ über 10 000 gefundene Münzen digitalisiert.Der Denkmalpreis des Landes Sachsen-Anhalt ist die wichtigste Auszeichnung des Landes auf dem Gebiet der Denkmalpflege. Die Preise werden seit 1995 vergeben, seit 2000 wird der Preis – von einer dreijährigen Pause zwischen 2008 und 2011 abgesehen – im Zwei-Jahres-Takt verliehen.

Auch nach der Preisverleihung wird es bei Ulrich Fach nicht ruhiger: „Es gibt noch eine ganze Menge Münzen, die nicht bestimmt sind.“ Zumindest noch nicht.