Fernsehshow Der Ahnen-Detektiv aus Magdeburg
Im ZDF startet „Du ahnst es nicht!“. Ein Experte, der den Gästen bei der Suche nach den Vorfahren hilft, ist Carsten Tüngler aus Magdeburg.
Magdeburg l Ein hell ausgeleuchtetes Fernsehstudio in Werder/Havel (Brandenburg). Die ehemalige Saftfabrik, in der gedreht wird, erinnert etwas an eine Bibliothek. Bücherwände, Karteikartenschränke. Es geht geschäftig zu. Kameras werden positioniert. An den Aufzeichnungstagen finden sich abwechselnd wohlbekannte Namen ein. Ex-Modern-Talking-Star Thomas Anders hat mal kein Mikrofon in der Hand, er moderiert die Show.
Dann kommt zu Wort der emeritierte Leipziger Namenforscher Professor Jürgen Udolph. Und nicht zuletzt ist da – ein Magdeburger. Carsten Tüngler heißt er, ist Ahnenforscher, trägt eine Fliege, blaues Jackett, Einstecktuch und eine markante Brille. Der 37-Jährige ist einer von vier Experten in der am Sonntag startenden ZDF-Show „Du ahnst es nicht!“.
In fünf Folgen reisen Gäste zurück in ihre Familiengeschichte. Wie weit lässt sich die Abstammung nachvollziehen? Sind die Vorfahren vielleicht sogar Persönlichkeiten der Weltgeschichte? Welche unerwarteten Geschichten oder tragischen Episoden offenbaren sich beim Schürfen in der Historie? Die Experten haben eigene Fälle mitgebracht. In der ersten Folge etwa beauftragt ein Mann aus Magdeburg Carsten Tüngler mit Nachforschungen. Am Ende erfährt er erstmals: In seiner Familie gab es eine Episode, in der ein Vorfahr die Weltgeschichte beinahe aus den Angeln gehoben hätte ...
Ahnenforschung liegt nicht nur wegen solcher Fälle im Trend. Carsten Tüngler weiß auch, warum: „Die Menschen möchten sich in ihrer Familiengeschichte verorten und damit auch mehr über sich selbst erfahren.“ Deshalb gibt es immer mehr Hobby-Genealogen, die in Kirchenbüchern und auf Standesämtern Auskünfte einholen. Oder eben bei Profis wie Tüngler und seiner „Generalagentur für Genealogie“ in Magdeburg vorsprechen. Für seine Aufträge tingelt der Magdeburger Ahnenforscher durch Standesämter, durchforstet Kirchenbücher, nimmt Urkunden unter die Lupe und befragt Angehörige. In der heimischen Kirchenprovinz kennt er sich aber am besten aus. Und dort ist seine Leidenschaft auch vor über 25 Jahren geweckt worden.
Alles beginnt mit einer Feier bei den Großeltern. Während sich die Erwachsenen prächtig amüsieren, ist der 11-jährige Carsten auf der Suche nach einer Beschäftigung. Beim Durchstöbern der Schränke fällt sein Blick auf ein unscheinbares Bündel angegilbten Papiers. Die fremd wirkende Schrift, ein altes Siegel. Als er den Stapel genau inspiziert, ist es schon um ihn geschehen. Es sind zahlreiche Unterlagen und alte Fotos, die die Familiengeschichte vor seinem geistigen Auge lebendig werden lassen.
Gleich am nächsten Tag beginnt Carsten Tüngler mit der intensiven Recherche. Er will die Familienchronik ergänzen. Er schreibt Pfarrämter an, wälzt Kirchenbücher, eignet sich immer mehr Fachwissen an. (Bis heute hat der Genealoge 3000 seiner Vorfahren bestimmt.)
In den folgenden Jahren nimmt Tüngler auch immer Aufträge von Freunden und Bekannten an. In seinem immer professioneller betriebenen Hobby geht er mehr und mehr auf. Die Genealogie zum Beruf zu machen, ist da längst sein Ziel. Doch wie wird man eigentlich Ahnenforscher? Eine Berufsausbildung oder einen Studiengang gibt es nicht. Wer Geschichte studiert, behandelt die Ahnenforschung nur am Rande. Dann studiere ich einfach mal BWL, das kann man immer brauchen, denkt sich der gebürtige Schönebecker.
Das Studium in Magdeburg finanziert er einfach mit – der Genealogie. Pfarrämter und Kirchenarchiv kennen ihn schon von seinen eigenen Recherchen und wissen, wie akkurat er arbeitet. Sie vermitteln ihn. Die Genealogie beginnt sich zu lohnen. Nach dem Studium gründet er die Agentur.
Heute kommen Tünglers Kunden aus der ganzen Welt. Viele reisen sogar aus den USA an. Dort löst die Ahnenforschung schon länger eine breite Begeisterung aus. Amerikaner wollen wissen, wer ihre Vorfahren in Europa waren. Die Online-Genealogie-Plattform MyHeritage bestimmt sogar die DNA ihrer Kunden und identifiziert familiäre Verbindungen.
Das US-Fernsehen ist mit dem Format „Who do you think you are?“ auch das Vorbild für „Du ahnst es nicht!“. Auch die deutschen Sendeanstalten haben das Potenzial von geheimnisumwitterten Familiengeschichten vorher längst entdeckt.
MDR und WDR suchen mit eigenen Formaten nach Vorfahren. Bei verschiedenen Radiosendern erklären Professor Udolph und Co. seit Jahren, dass nicht jeder Name, der sich französisch anhört, auf einen Hugenotten-Vorfahren schließen lässt. Oder der Namenforscher tröstet einen Herrn Rescheiße und erklärt ihm, dass alles nur halb so schlimm ist, wie es sich anhört.
Ähnliche Mißverständnisse kennt Carsten Tüngler nur zu gut. Ein Kunde aus Magdeburg mit Namen Gerecke hatte sich insgeheim Hoffnungen gemacht, dass die Suche nach seinen Ahnen eine Verbindung zu Wissenschaftler Otto von Guericke zum Vorschein bringen würde. Leider Fehlanzeige.
Auch wer den Namen Luther trägt, muss nicht unbedingt mit dem Reformator verbandelt sein, nur weil Uroma da irgendwann mal was erwähnt hat. Der Genealoge muss seinen Kunden ab und an die Illusionen nehmen. Das gehört dazu. Was dann bei der Nachforschung herausspringt, ist in der Regel trotzdem so spannend, dass seine Kunden bei den Ausführungen die Ohren spitzen. So gut wie jede Familiengeschichte birgt an einer Stelle Überraschungen, sagt Tüngler.
Viele Fälle sind ihm im Gedächtnis geblieben. Bei einem Kunden konnte er den Stammbaum bis ins Jahr 1450 zurückverfolgen, zu einer großen Bergbausippe im Erzgebirge. Einem anderen Klienten präsentierte Tüngler die Geschichte eines seiner Vorfahren – ein Schäferssohn, der in Zeiten der Industrialisierung zum Millionär wurde. Oder es tauchen 100 Jahre alte Totenbilder von Vorfahren aus Rumänien auf. Etwas gruselig, aber zu hundert Prozent authentisch.
In einer Folge von „Du ahnst es nicht!“ nimmt einer von Tünglers Kollegen sogar die Familiengeschichte von Moderator Thomas Anders unter die Lupe. Die ist spannend – so viel sei verraten. Keine Überraschung: Ex-Band-Kollege Dieter Bohlen spielt darin keine Rolle. Für Carsten Tüngler war die Zeit bei der TV-Show eine tolle Erfahrung. Sich mit den Kollegen austauschen und andere Geschichten kennenzulernen: Der Genealoge würde sich freuen, wenn die Sendung fortgesetzt wird. Der Magdeburger mit der auffallenden Fliege könnte dann zum Dauergast im Fernsehen werden.