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Wissenschaftler geben Lehrern die Schuld Deutsche Schüler wissen wenig über die DDR - insbesondere im Osten

Von Christoph Driessen 10.08.2011, 04:28

Berlin (dpa). Die DDR? Das war doch dieser andere deutsche Staat, in dem nicht alles so super gelaufen ist. Naja, zumindest war da die Umwelt noch halbwegs intakt. Und die Stasi? Muss sowas wie die ostdeutsche Ausgabe von James Bond gewesen sein. Führende SED-Leute? War das nicht Kohl? Oder sonst Adenauer. Wer weiß das schon so genau - ist ja alles ewig her.

So ähnlich muss nach einer Studie des Forschungsverbunds SED-Staat das DDR-Bild nicht weniger deutscher Schüler aussehen. Prof. Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin befragte dafür vor drei Jahren über 5200 Schüler aus Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern, überwiegend 16 oder 17 Jahre alt. Die Überschrift könnte lauten: "Irgendwas war da ..."

Für viele überraschend: Ostdeutsche Schüler sehen im Wissenstest besonders schlecht aus und beurteilen die DDR außerdem wesentlich milder. "Etwa zwei Drittel der Schüler in den westlichen Regionen erkennen den Diktaturcharakter des SED-Staates, aber nicht einmal die Hälfte in den ostdeutschen", heißt es in der Untersuchung

Von Desinteresse bis Schönfärberei

"Im Westen interessiert man sich nicht für die DDR", sagt Schroeder. "Je weiter Sie nach Westen kommen, desto mehr Leute sagen: ¿Das ist deren Geschichte, nicht unsere.\'" Im Osten wiederum sei das Bild der Schüler durch Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern schöngefärbt. "Die Leute, die das erlebt haben, leben eben noch. Und die kommen sofort und sagen: ¿Das war doch gar nicht so.\'"

Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, beklagt Wissenslücken auch bei den Lehrern. "Viele haben noch zur Zeit der Entspannungspolitik studiert. Die Dimensionen der kommunistischen Verbrechen sind vielen nicht bekannt. Und das Interesse an Fortbildungsangeboten ist eher gering."

Dagegen nimmt der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, die Lehrer in Schutz. Solange noch nicht einmal die Gesellschaft das Kapitel DDR aufgearbeitet habe, könne man dies schwerlich von der Schule erwarten. "Klar, das System war nicht demokratisch, insofern besteht Einigkeit", sagt er. "Aber sobald man etwas in die Tiefe geht, wird es doch komplizierter. In der Masse haben die Menschen das Beste gewollt."

Über eine solche Haltung kann sich Schroeder "richtig aufregen". Genau so komme es zur Verklärung der DDR-Vergangenheit, meint er. "Es war eine Diktatur, die Andersdenkende verfolgt hat, und Hunderttausende haben diese Diktatur mitgetragen."

Ähnlich scharf äußert sich Knabe: "Wenn es um Diktaturen geht, besitzt die Schule eine Aufklärungspflicht, die sie bei der DDR nur unzureichend wahrnimmt. Dass die Menschen doch nur das Beste gewollt hätten, hat man in meiner Jugend auch über den Nationalsozialismus gesagt."

Peter Lautzas vom Verband der Geschichtslehrer Deutschlands versichert dagegen, dass die Lehrer ihre Lektion durchaus gelernt hätten. "Da hat sich in den letzten Jahren schon was getan, das hat sich positiv entwickelt", sagt er. "Auch dadurch, dass die Kultusminister-Konferenz 2009 empfohlen hat, den Schwerpunkt im Geschichtsunterricht noch mehr auf Zeitgeschichte zu legen."

An grundsätzlichem Desinteresse der Schüler kann es jedenfalls nicht liegen, wie Hubertus Knabe betont. Jugendliche, die von ehemaligen Häftlingen durch das Stasi-Gefängnis geführt würden, seien oft wie elektrisiert. Ein 15-Jähriger mailte ihm neulich: "Es war der absolute Hammer!"