Radio-Affäre Die Journalistin, die keine war
Ein 2011 an Radio SAW verliehener Preis erscheint in neuem Licht: Die ausgezeichnete Moderatorin hatte einen verdeckten Auftraggeber.
Magdeburg l Maren Sieb gehört zu den Moderatoren, die den Magdeburger Privatsender Radio SAW großgemacht haben. Die gebürtige Wolmirstedterin prägte das Programm über Jahre, heute ist sie Chefin der landeseigenen Lottogesellschaft. Seit dem ersten Ton des Senders war sie dabei, verrät sie in einem Steckbrief, der online veröffentlicht ist. Ihr schönster Moment bei SAW? „Der Gewinn des Mitteldeutschen Radiopreises für mein Radio-SAW-Spezial ‚Diagnose behindert‘.“
Auf diese Anerkennung ist der Sender bis heute stolz. Recherchen der Volksstimme belegen jedoch: Radio SAW bekam den Preis unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Prämiert wurde der Sender im Juli 2011 in der Kategorie „Beste Moderation“. Der mit 2500 Euro dotierte erste Preis ging an Sieb und ihre Kollegin Astrid Wessler – die Sendung zum Thema Behinderung hatten beide Ende 2010 gemeinsam moderiert.
Dass Sieb den Sender bereits 2006 verlassen hatte, fiel bei der Preisverleihung im edlen Schlosshotel Schkopau offenbar nicht auf. Zum Zeitpunkt der Sendung war Sieb keine SAW-Mitarbeiterin – sondern Inhaberin einer Werbeagentur. Und als solche kassierte sie eine stattliche Summe dafür, dass sie ihren Kunden, den Paritätischen Wohlfahrtsverband, vorteilhaft in der Öffentlichkeit präsentierte.
Der Paritätische hat daraus auch nie ein Geheimnis gemacht. Für eine Werbekampagne habe der Verband 68 000 Euro aufgebracht, sagt Verbandsgeschäftsführerin Gabriele Girke auf Volksstimme-Nachfrage. Die Summe stammt aus Mitgliedsbeiträgen, von einzelnen Verbandsmitgliedern und aus einem Fördertopf. Eine Werbeagentur namens "ISA i motion" bot für das Geld ein Rundum-Angebot bei Radio SAW. Inhaberin der Werbeagentur: Maren Sieb. Sie vermittelte dem Paritätischen den Weg ins Programm ihrer früheren Radiokollegen.
Ein ganz besonderes Angebot der Werbe-Expertin: Bei den vier „SAW-Spezial“-Sendungen übernahm sie auch gleich die Moderation. Langjährige SAW-Hörer kannten ihre Stimme, aus ihrer Sicht befragte dort eine Hörfunkjournalistin von SAW ihre Studiogäste. In Wahrheit aber war Sieb eine von außen bezahlte Interessenvertreterin – sie sorgte dafür, dass ihr Auftraggeber in bestem Licht dastand. Sieb hält das bis heute für unproblematisch. Sie habe im Auftrag des Paritätischen ein Konzept für Öffentlichkeitsarbeit erstellt, bestätigt sie der Volksstimme. Teil dessen waren die vier Sendungen.
„Meine Aufgabe bestand in der Schnittstelle zwischen Redaktion und Parität, die Themeninhalte und die Umsetzung oblagen der Redaktion. Es war eine Öffentlichkeitsarbeit, die den Service für Menschen im Mittelpunkt sah.“
Von einer fremdfinanzierten „Öffentlichkeitsarbeit“ wusste die Jury des Mitteldeutschen Rundfunkpreises allerdings nichts. Martin Heine, Chef der Medienanstalt Sachsen-Anhalt und damit einer der Stifter des Preises, ist am Mittwochnachmittag unangenehm überrascht von der neuen Entwicklung. „Nicht schön“, sagt er. „Bei der Preisverleihung sind wir natürlich davon ausgegangen, dass die Moderation durch Moderatorinnen erfolgt ist, nicht durch Dritte“, sagt er.
Heine will nun prüfen, ob der Rundfunkpreis Bestand haben kann. „Durch das bloße Anhören eines Beitrages sind unsere Qualitätsnormen leider nicht immer zu überprüfen“, sagt er. Alle neuen Fakten würden jetzt bewertet.
Nach einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks über die SAW-Kampagne des Paritätischen fühlt sich der Verband zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Für uns war das Teil der Öffentlichkeitsarbeit, die unsere Mitglieder und die Gesellschaft erwarten. Sie war in diesem Fall auch direkt gekoppelt mit Informationen, Erfahrungsaustausch und Hilfe für Betroffene und Angehörige“, sagt Verbandsgeschäftsführerin Girke. Viele Betroffene seien zu Wort gekommen, keine Verbandsvertreter.
Sieb, die mit ihrer Werbeagentur einst auch den Wahlkampf des SPD-Spitzenkandidaten Jens Bullerjahn betreute, mag detaillierte Fragen der Volksstimme lieber nicht beantworten.
Völlig abgetaucht ist Radio SAW. Wie viele Sendungen wurden von „Sponsoren“ finanziert? Von SAW-Mann Jens Kerner gibt es keine Antwort.
Der Radiosprecher schweigt.