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E-Autos Sauber, sprintstark, Ladenhüter

Sie sind spurtstark. Doch sie sind zu teuer, die Batterien machen schnell schlapp. In Sachsen-Anhalt versuchen Experten, das zu ändern.

Von Jens Schmidt 13.01.2017, 00:01

Magdeburg l Ende 2016 keimte Hoffnung. VW, Daimler, BMW und Ford kündigten an, ab diesem Jahr ein Netz von schnellen Strom-Tankstellen aufzubauen. „In weniger als fünf Minuten soll die Batterie wieder einsatzbereit sein“, jubelte die Süddeutsche Zeitung. Die Rede war von Super-Ladesäulen mit einer Leistung von 350 Kilowatt. Derzeit bieten die meisten nur schlaffe 50 Kilowatt.

Ein Anruf der Volksstimme bei Volkswagen erdete auch den wohlmeinendsten Optimisten. Denn: „Batterien, die mit 350 Kilowatt geladen werden können, gibt es noch gar nicht“, erklärt ein Sprecher. Die angekündigten Ladesäulen sollen bis zu 350 Kilowatt leisten.

Bis zu.

Das ist der feine, aber wichtige Unterschied. Da die Säulen nicht billig sind, sollen sie auch in Zukunft noch etwas taugen. Daher werden sie für Leistungen ausgelegt, die irgendwann mal erreicht werden. Aber eben noch nicht heute.

Also nichts mit 5 Minuten. Selbst am Super-Schnell-Lader sollten E-Autobesitzer eine ordentliche Kaffeepause einplanen. Nach einer halben Stunde haben gängige E-Autos dann Saft für etwa weitere 100 Kilometer. Wagen der oberen Klassen und mit stärkeren Batterien schaffen nach 30 Minuten Ladezeit auch gut 200 Kilometer. Selbst das ist verglichen mit einem Verbrenner nicht sonderlich viel. Recht ernüchternd ist auch das Stromtankstellen-Netz. In ganz Sachsen-Anhalt gibt es derzeit etwa 80. Manche haben sechs Steckdosen, manche aber nur zwei; manche gehen schnell, manche langsam; einige sind offen für alle Fahrzeuge, andere wieder nicht. Und eine Karte, die zuverlässig wirklich alle Ladestationen zeigt, ist auch noch nicht zu finden.

Die Angst, liegenzubleiben ist neben dem hohen Preis das größte Hemmnis, auf Stromer umzusteigen. In Sachsen-Anhalt sind laut Verkehrsministerium nicht mal 300 E-Autos zugelassen. Auch Kaufprämien bessern die Lage nicht. Seit vorigem Jahr legt der Bund für Elektro-Autos bis zur Mittelklasse 4000 Euro dazu. Dennoch haben sich in Sachsen-Anhalt bislang erst 49 Käufer davon locken lassen und einen Antrag gestellt. Bundesweit sind es 5100. Zum Vergleich: Pro Jahr werden allein in Sachsen-Anhalt 55 000 neue Benzin- und Dieselautos zugelassen.

Selbst viele Stadtwerke, die mit Stromverkauf ja ihr Geschäft machen, hielten sich bislang mit Ladesäulen sehr zurück. Hauptgrund. Eine Säule kostet schnell mehr als 10 000 Euro: Und bei den paar E-Autos lohnt sich das nicht. Das Dilemma: Ohne Autos keine Strom-Tankstellen - ohne Tankstellen keine Autos. Der Bund will den Knoten mit weiteren Fördergeldern durchschlagen. Bis zu 60 Prozent der Ladesäulen-Kosten würde die Staatskasse tragen. Die Offerte klingt in den Ohren der Stadtwerkechefs gut. „Ab da verbrennt man kein Geld mehr“, sagt Johannes Kempmann, Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg (SWM). Das Unternehmen hat bislang erst drei Säulen. Das soll sich ändern. Bis zum Sommer soll ein Konzept vorliegen. Das Ziel der neuen Ladesäulen-Strategie hat Kempmann schon formuliert: „Wir wollen Marktführer in unserer Region werden.“

Stromtankstellen sollen möglichst auch in der Nähe großer Behörden und Unternehmen aufgestellt werden, wo Autos tagsüber stundenlang auf den Parkplätzen stehen und sie bequem geladen werden könnten. Das wäre gerade für Innenstadtbewohner wichtig, die nachts schlecht ein Ladekabel aus dem dritten Stock werfen können. Die bereits viel diskutierte Idee, in den Innenstädten vor den Häusern Straßenlaternen anzuzapfen, hat Kempmann verworfen: Da dann mehr Strom gezogen würde, bräuchte man größere Leitungsquerschnitte. Eine neue Verkabelung des Netzes sei aber viel zu teuer.

Beim Thema Reichweite gibt es noch ein weiteres Problem: Das heißt Winter. „E-Autos springen zwar auch bei eisigen Temperaturen problemlos an“, berichtet ADAC-Technikexperte Bernhard Tschenscher, „doch der Energiebedarf steigt bei Frostgraden enorm an.“ Vor allem die Heizung frisst viel Strom, hinzu kommen Licht, Scheibenwischer und mehr Reifenarbeit auf glatten Straßen. „Ist es knackig kalt, kann die Reichweite bis zu 50 Prozent sinken“, berichtet Tschenscher.

Neuere Modelle nutzen fürs Heizen zunehmend sparsamere Wärmepumpen. In der Übergangszeit gehen diese gut, allerdings schaffen es die Pumpen bei frostigem Wetter kaum, mollige Wärme in den Innenraum zu pusten. Dann müssen herkömmliche Heizungen zusätzlich helfen.

Eine weitere Tücke müssen Käufer beachten: Wie auch bei den meisten Verbrennern liegen zwischen den Verbrauchs­angaben der Hersteller und der Alltagswirklichkeit Welten. Der ADAC hat praktische Erfahrungen gesammelt. Ein Nissan Leaf ist im Langzeittest, getestet wurden auch schon Tesla und E-Golf. Beim Nissan stehen 17,3 Kilowattstunden pro 100 Kilometer auf dem Papier. Der ADAC kam auf 24,4 Kilowattstunden. Ähnliche, 40 Prozent große Lücken klafften bei Tesla und Golf. Zwei wesentliche Gründe: Bei flotterem Autobahntempo steigt der Strombedarf rasant an. Hinzu kommt eine weitere Ursache: Beim Laden der Batterie gibt es merkliche Verluste. Man muss mehr Strom kaufen, als das Auto für die reine Fahrt dann benötigt. Das wäre in etwa so, als wenn man 25 Liter Benzin tankt und fünf Liter dabei wegfließen: Bezahlen muss man freilich die gesamte Menge.

Ein Vorteil der E-Autos: Die beim Bremsen entstehende Reibungswärme kann in elektrische Energie verwandelt werden. Das bringt Saft für die Batterie und mehr Reichweite. Gerade im Stadtverkehr, bei häufigem Stop und Go, macht sich das vorteilhaft bemerkbar. Doch es gibt einen Haken: Häufiges Laden geht den Akkus an den Lebensgeist. Vor allem dann, wenn sehr starke Ströme fließen - was beim Abbremsen oft der Fall ist.

Doch es gibt ein Gegenmittel: Das heißt Superkondensator. Das Bauteil speichert zwar weniger Energie, ist aber wesentlich robuster als eine Batterie. Diese Kondensatoren vertragen hundertmal mehr Ladezyklen. In einigen Großfahrzeugen und Straßenbahnen werden sie bereits eingesetzt. Wissenschaftler der Uni Magdeburg tüfteln nun an einem System, Superkondensatoren auch für den Pkw nutzbar zu machen. „Das ist Neuland“, sagt Professor Ralf Vick, Lehrstuhlleiter an der Fakultät für Elektrotechnik.

Die Idee: Die Batterie liefert die Grundlast, der Kondensator als Zwischenspeicher kümmert sich um die Spitzenbelastungen. So könnten hohe Ströme batterieschonend genutzt werden. „Wir denken, dass das technisch sinnvoll ist“, sagt Professor Vick.

Doch das Batterie-Kondensator-System braucht mehr Platz. Ob es für einen Pkw auch wirtschaftlich sinnvoll ist, muss sich noch zeigen. Das Projekt geht noch bis Ende 2018, das Bundesforschungsministerium investiert etwa zwei Millionen Euro. Volkswagen und der Elektromotorenbau Dessau sind Kooperationspartner. Das vierköpfige Magdeburger Forscherteam hofft, in etwa einem Jahr erste, präzise Ergebnisse präsentieren zu können.

Bei allem Ärger über geschönte Verbrauchswerte: Ein E-Auto frisst deutlich weniger als ein Verbrenner.

Ein Verbrenner braucht auf 100 Kilometer 50 bis 80 Kilowattstunden (5 bis 8 Liter Kraftstoff), bei einem Batterieauto sind 25 Kilowattstunden Strom realistisch. Sollten sich die Elektro-Autos mal durchsetzen, wird die Flotte viel Öl sparen. Allerdings wird ihr Stromhunger steigen. Vorsichtige Schätzer rechnen mit einem Stromverbrauchsanstieg von stolzen 50 Prozent in Deutschland, wenn alle Pkw elektrisch fahren. Sauber bliebe die Sache nur mit Wind- und Sonnenstrom. Doch der ist wetterabhängig. Autos wollen bei jedem Wetter rollen. Große Netze und Speicher sind nötig, ihr Aufbau braucht aber noch Jahre. Es kann sein, dass ausgerechnet die E-Autos den Kohlekraftwerken ein längeres Leben bescheren. SWM-Chef Kempmann, der auch dem Bundesverband der Energiewirtschaft vorsteht, ist sich sicher: „Die fossile Stromerzeugung wird auch künftig weiter am Netz sein.“