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"800 Jahre Anhalt": Die 8. Kultursommernacht in der Berliner "Möwe" gab einen kleinen Ausblick auf das Feierjahr 2012 Echter Bundespräsident, falsche Zarin

Von Bernd Kaufholz 07.09.2011, 04:29

Alles hat sich Montagabend in der Berliner Landesvertretung Sachsen-Anhalts um "Anhalt" gedreht - die Kultur, die Häppchen und Getränke und vor allem die Vorbereitung auf das Jubiläum "800 Jahre Anhalt" im kommenden Jahr. Und das interessierte selbst den Bundespräsidenten Christian Wulff. Zum ersten Mal ließ sich ein deutsches Staatsoberhaupt bei einem Sommerfest einer Landesvertretung sehen.

Berlin. "Wussten Sie eigentlich, dass der Bär im Berliner Wappen auf Albrecht von Ballenstedt (um 1100-1170, d. Red.) zurückgeht?" Allgemeines Kopfschütteln vor dem Stand Dessau-Roßlaus. "Das ist aber so", freut sich der Oberbürgermeister der Stadt, Klemens Koschig, und zeigt auf das Wappen hinter sich, auf dem ein gekrönter Bär seine Tatzen um ein Wappenschild klammert.

"Oder sagt Ihnen der Anhalter Bahnhof in Berlin etwas?" Kräftiges Nicken im Rund. "Sehen sie, so viel Gemeinsamkeiten." Und dann verrät der OB seinen Traum: "Während des Festjahres 800 Jahre Anhalt sollte unser Philharmonisches Orchester ein Open-Air-Konzert im Anhalter Bahnhof geben. Bisher haben wir es erst auf den Gendarmenmarkt geschafft."

"Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten"

Zehn Städte Anhalts - Zerbst, Köthen, Aschersleben, Ballenstedt, Bernburg, Dessau-Roßlau, Harzgerode, Coswig, Gernrode und Wörlitz - haben sich am Montagabend bei der 8. Kultursommernacht in der Berliner "Möwe" rund 1000 Gästen aus Wirtschaft, Kultur, Bundes- und Landespolitik vorgestellt. Und Bundespräsident Christian Wulff kippte seinen eigenen Zeitplan an den Ständen der Anhalter: "Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten", lautete sein Fazit. Die bunte Geschichte des Landes sei bestens dafür angetan, Identität zu stiften "und die Verbundenheit der Menschen in der Region mit ihrem Land zu stärken". Dazu gehöre es, die "Geschichte lebendig zu machen", sagte Wulff mit Blick auf die historischen Figuren, die eigens zur Kultursommernacht zum Leben erweckt wurden.

Und der Bundespräsident warf schon einen Blick voraus: "Zum 800-Jahre-Jubiläum" werde ich in Anhalt an einer Veranstaltung teilnehmen." Welche das ist und in welchem Ort, wollte Wulff jedoch noch nicht offenbaren. "Es ist ja noch ein bisschen Zeit bis 2012", sagte er und zog sich auf den Landesslogan zurück. "Aber die Sachsen-Anhalter stehen ja immer ein bisschen früher auf", schmunzelte er und meinte damit den frühen Start ins Feierjahr.

Am Zerbster Stand wurde dem Bundespräsidenten eine "Kokette Sophie" angeboten - ein alkoholfreier Cocktail, der eigens für die Kultursommernacht kreiert worden war. Stephanie Freitag-Suckstorff von der Berliner Bar "Artist" schüttelt den Shaker: Erdbeer, Banane, Kokos, Ananas, Maracuja, Sahne - Sirup und Früchte - eiswürfelgekühlt.

Auch die anderen Anhalter Orte dürfen sich seit Montag mit einem Drink schmücken: Aschersleben zum Beispiel mit dem "Rauchenden Askanier" und Dessau-Roßlau mit dem "Dreigroschen-Breezer".

Für Helmut Behrendt, Bürgermeister in Zerbst, ist der Abend in der "Möwe" ein "Highlight". Er erhofft sich von der Präsentation seiner Stadt einen Aufschwung beim Tagestourismus. "Zerbst ist nicht die typische Stadt, in der man zwei Wochen Urlaub macht, aber wir haben schon einige Sehenswürdigkeiten, die es zu besuchen lohnt."

"Mein Traum sind Katharina-Festspiele in Zerbst"

Auch Behrendt hat wie sein Dessau-Roßlauer Kollege eine Vision: "Katharina-Festspiele". "Die Küste wuchert mit Klaus Störtebeker, Bad Segeberg mit Winnetou und Old Shatterhand, und wir haben eine mindestens ebenso schillernde Persönlichkeit - die russische Zarin."

Und wie aufs Stichwort steht Tetyana Nindel neben ihm. Mit hartem, slawischem Akzent stellt sich die 33-Jährige als Katharina II. vor. Die Chefin des Internationalen Fördervereins Katharina II. wird auch im kommenden Jahr die Kaiserin aller Reußen geben.

Allerdings hat die ganze Sache einen kleinen Schönheitsfehler. Denn Nindel ist keine Russin, sie ist Ukrainerin. Doch "Majestät" haben dafür eine einleuchtende Erklärung: "Von der Ukraine ging historisch gesehen einst das russische Reich aus ..."

Behrendt sieht viele Gründe, warum die Menschen Zerbst besuchen sollten: "Die schöne alte Stadtmauer, den Lutherweg - übrigens war Zerbst die erste Stadt, die die Reformation umgesetzt hat -, das Restaurant ,Vogelherd\'."

Julius Eduard Ernst August Prinz von Anhalt steht am Stand der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut. Der in Ballenstadt/Anhalt Geborene hat sich ebenfalls dem historischen Ereignis im kommenden Jahr verschrieben: "Dass ich ein von Anhalt bin, das ist nicht mein Verdienst", sagt er. "Aber der Name verpflichtet natürlich." Und er schiebt seine Tochter Julia-Eilika nach vorn. Auf ihrem weißen T-Shirt das Logo "Made in Anhalt".

"Made in Germany steht weltweit für Qualität und Zuverlässigkeit", sagt der Prinz. "Das Gütezeichen Made in Anhalt, sozusagen der kleine Bruder, soll für Produkte aus Anhalt werben."

"Schön, dass Herr Haseloff keine Berührungsängste hat"

Und nach einem ausführlichen Gepräch mit Ministerpräsident Reiner Haseloff: "Es ist schön, dass der Ministerpräsident keine Berührungsängste hat. Das konnte man von einigen seiner Vorgänger nicht gerade behaupten."

Vor dem Bernburger Stand hüpft eine gelbe Narrenkappe mit klingelnden Glöckchen. Der Kopf darunter gehört Till Eulenspiegel (Simone Wirth). Der clevere Narr lebte 1325 als Turmbläser am Hofe des Fürsten Bernhard von Anhalt-Bernburg, der in der "Möwe" von Volker Zappe dargestellt wird.

Es ist schon tiefe Nacht, da hört man immer noch das Klack, Klack, Klack des Stocks Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, im Innenhof der "Möwe". Im Schlepptau des "Alten Dessauers" ist Fürstin Anna Luise, sein Hofmarschall Freiherr von Pannier und der Geheime Rat von Raumer. Ein freundliches Winken hier, ein hoheitliches Nicke dort.