1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Kreißsäle müssen schließen

EIL

Fachkräftemangel Kreißsäle müssen schließen

Babyalarm in Sachsen-Anhalt: Die geburtenstarken Monate stehen an. Doch es wird eng. Zu wenige Hebammen, weniger Kreißsäle.

Von Janette Beck 10.07.2018, 01:01

Magdeburg l Hohe Versicherungsprämien in der Haftpflicht für Freiberufliche, unzumutbare Arbeitsbelastung und zu wenig Auszubildende auf der einen, steigende Geburtenzahlen auf der anderen Seite: „Die Hebammen arbeiten am Limit“, klagt Petra Chluppka, Vorsitzende des Landesverbandes, der insgesamt rund 350 Hebammen vertritt.

Die prekäre Situation in den Kreißsälen war zuletzt auch bei der Gesundheisministerkonferenz in Düsseldorf Thema. Sachsen-Anhalts Ministerin Petra Grimm-Benne (SPD) konnte aus erster Hand berichten, denn die Entbindungsstation der Helios Klinik in Zerbst musste zum 1. Juli schließen. Der Grund: Personalmangel.

Das gleiche Schicksal traf zuvor das AMEOS Klinikum Haldensleben und die Asklepios Klinik Weißenfels. Die Zahl der Krankenhäuser mit Entbindungsstationen sank somit im Vergleich zum Jahr 2002 (30 Kliniken) um mehr als 30 Prozent. Und das, obwohl inzwischen mit 17.617 Kindern annähernd genauso viele geboren werden wie vor 15 Jahren (18.277).

Zwar konstatiert auch das zuständige Ministerium einen Hebammenmangel sowie eine fortschreitende Zentralisierung auf größere Kliniken und eine Unterversorgung in den Kreißsälen, dennoch müssten die werdenden Eltern sich keine Sorgen machen: „Die Krankenhausplanung in Sachsen-Anhalt ist so angelegt, dass eine flächendeckende Versorgung gewährleistet ist. Dies gilt auch für den ländlichen Raum“, heißt es auf Anfrage der Volksstimme.

Allerdings könne keine Aussage getroffen werden, wie sich die Situation der Vor- und Nachsorge durch Hebammen im ländlichen Raum gestaltet. Dazu fehlten trotz des 2016 ins Leben gerufenen Runden Tisches „Geburt und Familie“ noch immer belastbare Daten. Auch die bereits Mitte 2017 in Auftrag gegebene Studie zur Hebammen-Versorgung lässt noch mit Ergebnissen auf sich warten. Lägen im zweiten Halbjahr endlich stichhaltige Zahlen auf dem Tisch, stehen hinsichtlich zu ergreifender Maßnahmen drei Ziele im Mittelpunkt, so Ministerin Grimm-Benne: „Die natürliche Geburt stärken, den Bedarf decken und die Qualität sichern.“

Dass die Versorgung der Gebärenden momentan gesichert ist, belegt auch eine Stichprobe der Volksstimme vor Ort im Altmark-Klinikum, Harzklinikum, Klinikum Magdeburg sowie in Burg. Alle befragten Häuser bestätigten zwar, dass die Belastungen der Hebammen in den Kreißsälen sehr hoch und die Personaldecke dünn seien, gerade aktuell in der Urlaubszeit. Ein akuter Notstand ist nicht zu befürchten. Am Beispiel Altmarkklinikum stellt sich die Situation so dar: In Salzwedel kümmern sich derzeit sieben Hebammen um die werdenden Mütter. Alle nicht fest angestellt, sondern im Rahmen der eigenständigen Partnerschaft „Urban und Partner“. In Gardelegen arbeiten acht Hebammen, alle in Teilzeit. „Die personelle Aufstellung ist damit zu 100 Prozent abgedeckt: Eine Hebamme ist pro Schicht zuständig, bis zu zwei Entbindungen können gleichzeitig stattfinden“, erklärt Ivonne Bolle, Sprecherin beider Kliniken.

Petra Chluppka weiß aus Erfahrung, dass es oftmals nicht bei der wünschenswerten 1:1-Betreuung bleibt: „Es gibt Kolleginnen, die inzwischen drei bis vier Schwangere gleichzeitig begleiten.“ Das Rotieren im Kreißsaal sei verantwortungslos. „Da kommst du an deine Grenze. Aber auch die Frauen, die sich bei der Geburt ihres Kindes eine persönliche Betreuung wünschen und sich gut aufgehoben und sicher fühlen wollen - und müssen.“

Auch die hohe Zahl an operativen Eingriffen – fast jedes dritte Kind kommt inzwischen per Kaiserschnitt auf die Welt – sieht Chluppka skeptisch: „Die Hebammen sind oft nur noch OP- statt Geburtshelfer. Die natürliche Geburt stirbt aus, das ist der falsche Weg.“

Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema.