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Fibel-Methode Tullner mit Machtwort im Schreiblern-Streit?

Wie sollen Kinder in Sachsen-Anhalt lesen und schreiben lernen? Bildungsminister Marco Tullner schließt Verbote nicht mehr aus.

Von Jens Schmidt 21.09.2018, 01:01

Magdeburg l Die Fibel-Methode ist der Klassiker: Woche für Woche lernen die Erstklässler einen neuen Buchstaben und eignen sich schrittweise Regeln an. Nach 1990 schwappten aus dem Westen Alternativ-Lehren ins Bundesland. Eine heißt „Lesen durch Schreiben“. Hierbei erfassen die Kinder sofort alle Buchstaben. Sie lesen schnell alle Texte; sie schreiben aber nach Gehör. Eine Fehlerkorrektur soll zunächst unterbleiben, um die Motivation nicht zu untergraben. Bei einer dritten Methode (Rechtschreibwerkstatt) gibt es gar keine Vorgaben - da sollen Schüler mit den Materialien völlig selbständig lernen.

Umstritten sind die Alternativen schon lange. Eine neue Studie befeuert die Debatte. Psychologen der Universität Bonn ziehen nach Tests mit 3000 Grundschülern ein klares Fazit: Der Fibel-Unterricht führt zu deutlich besseren Leistungen. Kinder, die nach „Lesen durch Schrei­ben“ unterrichtet wurden, machten hingegen nach der 4. Klasse im Schnitt 55 Prozent mehr Fehler als Fibel-Kinder. Am schlechtesten schnitt die Rechtschreibwerkstatt (105 Prozent mehr Fehler) ab.

Noch entscheiden Schulen und Lehrer selbst über die Methode. Ist damit bald Schluss? Bildungsminister Marco Tullner (CDU) lehnte Vorgaben und Verbote lange ab. Nach der neuen Studie schließt er aber nichts mehr aus. „Man horcht bei den Ergebnissen schon auf“, sagte er. Vor allem lernschwache Schüler scheinen große Probleme mit Alternativen zu haben. Bevor er durchgreift, will er aber zunächst die Studie auswerten. Zudem werden derzeit alle Schulen im Land abgefragt, welche Methoden unterrichtet werden. „Danach wird es eine Neubewertung und Konsequenzen geben.“

Der Grundschullehrerverband lehnt staatliche Vorgaben strikt ab, zumal in Sachsen-Anhalt die wenigsten Lehrer die „reine Lehre“ anwenden. Landeschefin Thekla Mayerhofer, selbst Lehrerin an einer Grundschule in Halle, sagt: „Es gibt kein Schwarz oder Weiß.“ An ihrer Schule wird die Fibel benutzt. „Zugleich reichere ich den Unterricht aber mit anderen Methoden an.“ So dürfe zunächst auch nach Gehör geschrieben werden - recht bald lernten die Kinder dann aber Regeln. „Was sicher nicht funktioniert: Vier Jahre kann jeder schreiben, wie er will, und ab Klasse fünf fangen wir mit Rechtschreibung an.“

Linke und SPD lehnen Verbote und Vorgaben ab: Bei Mathematik würde das ja auch keiner fordern. Die CDU sieht die Alternativmethoden kritisch, will sich in der Verbotsfrage aber noch nicht festlegen. Die AfD fordert hingegen schon länger, Alternativmethoden zu untersagen und die Fibel verbindlich vorzuschreiben. Hamburg und Baden-Württemberg haben dies bereits getan.

Der Kommentar "Schreiben mit Regeln" zum Thema.