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Film und Fernsehen Location-Scout für Sachsen-Anhalt

Björn S. Breyer aus dem Jerichower Land ist Location-Scout. Der 26-Jährige sucht Drehorte für Film und Fernsehen in Sachsen-Anhalt.

Von Bernd Kaufholz 27.02.2018, 00:01

Magdeburg l Da hat der „Dreh-ort-Finder“ ganze Arbeit geleistet. Im Loriot-Film „Papa ante Portas“ stellt das wuselige Filmteam ein Privathaus völlig auf den Kopf. Die Wände werden schwarz gestrichen, teures Porzellan fliegt durch die Luft, gediegene Originaleinrichtung raus, Papp-Filmkulisse rein. Gedreht wird: „Das Ende der Schnakenburgs im Hause Lohse“. Drei Tage Umbau – 30 Sekunden Film.

Björn S. Breyer muss schmunzeln, als er mit diesem satirischen „Paradebeispiel“ für die Arbeit eines Location-Scouts, wie sie nicht sein sollte, konfrontiert wird.

Er schiebt seinen breitkrempigen, braunen Hut ein wenig aus der Stirn und sagt ironisch: „So kann man sich natürlich wunderbar Probleme organisieren.“ Dann plaudert er aus dem Nähkästchen: „Ich setze auf sogenannte Kalt-Akquise. Also, wenn ich ein passendes Objekt gefunden habe – zum Beispiel ein Haus –, stecke ich den Bewohnern einen Brief in den Postkasten. Darin beschreibe ich kurz mein Anliegen, hinterlasse meine Telefonnummer und bitte um ein unverbindliches Gespräch.“ Dann könnten die Leute noch eine Nacht darüber schlafen, bevor sie sich entscheiden und fühlten sich nicht überrollt.

Früher habe er an der Tür geklingelt, sagt Breyer. Oft mit dem Erfolg, dass sie ihm vor der Nase zugeschlagen wurde: „Wir kaufen nichts!“

Der 26-Jährige, der seit drei Jahren neben seinem Job als Motivaufnahmeleiter auch als Location-Scout unterwegs ist, räumt ein, dass Außenaufnahmen für einen Film „natürlich fast immer mit Einschränkungen verbunden sind. Da wird der Verkehr lahmgelegt, Häuser – manchmal ganze Straßenzüge – werden für eine gewisse Zeit zu Sperrzonen.“ Bei nationalen Produktionen gehörten zum Filmteam mehr als 20 Personen, bei internationalen bis zu 100, die am Set arbeiten. Dazu der Fuhrpark, Scheinwerfer und Requisiten.

Ein Grund mehr, warum sich viele Scouts inzwischen in Sachsen-Anhalt nach passenden Motiven umschauten. „Bei uns freuen sich die Menschen noch, wenn gedreht wird und ihr Dorf oder ihr Wohngebiet zur Filmkulisse wird. Der Berliner nörgelt nur herum, wenn sein hauptstädtisches Wohlbefinden auch nur für ein paar Stunden gestört wird“, sagt der Motivsucher aus dem Jerichower Land.

Breyer ist mit dem Fotoapparat in Magdeburg unterwegs. Er sucht für den nächsten „Polizeiruf 110“ eine „Gegend“ und „Einfamilienhäuser in einem etwas heruntergekommenen Wohngebiet“. Gerade bei Produktionen mit lokalem Bezug seien die Zuschauer besonders kritisch, sagt er. „Sie achten sehr darauf, dass die Drehorte logisch sind und nicht Dinge im Film auftauchen, die absolut nichts mit dem Handlungsort zu tun haben.“

Ausnahmen bestätigten allerdings die Regel. „Der jüngste Dortmund-Tatort wurde ja im Magdeburger Gefängnis gedreht, weil es in der Großstadt keine leerstehende Justizvollzugsanstalt gibt.“ Und vor zwei Jahren sei ein Dachboden in Sachsen-Anhalt der Drehort für eine Geschichte gewesen, die an der Nordsee angesiedelt war.

An der Großplastik „Fahnenmonument“ am Magdeburger Elbufer bleibt Breyer stehen. „Diesen Ort habe ich mal für einen TV-Krimi angeboten, aber er ist bei der Regie durchgefallen. War wohl zu kämpferisch.“ Dann erinnert sich der junge Mann daran, wie er zum Filmgeschäft und später zur Ortssuche kam. „Ich wollte schon mit zehn Jahren zum Film. Mit der Videokamera habe ich für den ,Kinderkanal‘ einen Beitrag gedreht. Der hat dem Fernsehen so gefallen, dass ich mit dem Filmchen ,Kikanier der Woche‘ wurde.“

Nach dem Abi am Europagymnasium in Gommern, machte er in Leipzig eine Ausbildung zum Mediengestalter. „Die erste Filmproduktion, an der ich mitgearbeitet habe, war ,Weißensee‘. Eine ARD-Serie, die das Schicksal von zwei Ostberliner Familien zwischen 1980 und 1990 erzählt.“

An seinen ersten Tag am Set könne er sich noch gut erinnern, sagt er und zückt erneut die Kamera. „Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus.“

Er sei dann bald zur Motivaufnahmeleitung gekommen und mit 23 Jahren habe er als zweites Standbein mit dem Scouten begonnen. „Es gehen immer mehr Aufträge ein“, sagt Breyer. „Für Mitteldeutschland, speziell für Sachsen-Anhalt“. Das liege wohl zum einen an der Tatsache, dass es zwischen Arendsee und Zeitz alles gebe, was man für einen Filmdreh brauche: „Berge, Ebenen, Flusslandschaften, Plattenbau, fast ursprüngliche Dörfer. Alles – außer Meer.“ Und noch einen Vorteil sieht der 26-Jährige: „Der Kinogänger oder Fernsehzuschauer möchte keine Lokalitäten mehr sehen, die vorher schon tausendmal Filmkulisse waren.“

Zuerst wird der Location-Scout vom Produktionsleiter angesprochen. „Ich bekomme das Drehbuch und mache mir Notizen“, schildert Breyer die Arbeitsschritte. „Ich stelle eine Motivliste zusammen und beantworte die Frage: Welches Motiv muss was können?“

Dann mache der Autor seine Anmerkungen, die übernommen und möglicherweise ergänzt würden. „Danach gibt es eine Besprechung mit dem Szenenbildner und dem Kameramann.“

Die Zeit, wo man als Motivsucher blind losgerannt ist, sei vorbei, erzählt der Filmexperte. „Anhand der Unterlagen recherchiere ich am Computer. Sehr hilfreich ist dabei Google Earth. Wenn ich mehrere Objekte gefunden habe, setze ich Punkte auf der Karte und erst dann mache ich mich auf den Weg.“

Inzwischen hat der Filmprofi schon an großen Produktionen mitgearbeitet. So war er für den deutsch-französischen Streifen „Frantz“ unterwegs, eine Liebesgeschichte, die ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg spielt.

Auch an „Der Hauptmann“ kann er sich sehr gut erinnern. „Ich habe für den Film, der in Schwarz-Weiß gedreht wurde und von den Gräueltaten des Kriegsverbrechers Willi Herold in der Endphase des Zweiten Weltkrieges erzählt, Naturmotive gesucht.“ Gefunden habe er die geforderte Geländestruktur dann in der Oberlausitz.

Und auch die Harz-Krimi-Reihe der ARD, „Harter Brocken“, trägt zum Teil seine Handschrift. Spannend seien jedes Mal wieder die Begegnungen mit den Stars. Zum Beispiel mit Til Schweiger, mit dem er gedreht hat. Sein Kommentar: „Kann man haben – muss man aber nicht.“

Breyer zieht seinen braunen Hut wieder tiefer ins Gesicht und schaut auf seinen Arbeitsplan. „Da ist doch diese Eigenheimsiedlung am Stadtrand. Da muss ich jetzt hin.“