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Flüchtlingskosten 49.000 Euro pro Monat für eine leere Halle

Da die Zahl der Asylsuchenden sinkt, gibt es in den Unterkünften viele freie Plätze. Die Kosten sind zum Teil dennoch enorm.

25.08.2016, 23:01

Genthin/Magdeburg l Der Druck auf die Landesregierung war groß. Hunderte Flüchtlinge erreichten Sachsen-Anhalt im vergangenen Sommer pro Tag. Dutzende Unterkünfte musste das Land anmieten, um sie unterbringen zu können. So landete auch ein leerstehender, ehemaliger Rewe-Einkaufsmarkt in Genthin auf dem Schirm in Magdeburg. Der Dreijahresvertrag war schnell unterschrieben.

Monatelang ist das Objekt hergerichtet worden. Brandmeldeanlage, Videoüberwachung, Bewegungsmelder und Zäune wurden installiert. Ab September könnten in dem Markt 500 Personen untergebracht werden – doch ob die Einrichtung je genutzt werden wird, ist unklar. Die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, ist stark gesunken. Die Aufnahmeeinrichtungen des Landes sind nicht einmal zur Hälfte belegt.

Die Genthiner Immobilie soll deshalb als reine Reserveeinrichtung vorgehalten werden. Doch Vertrag ist Vertrag – die Miete muss das Land trotzdem begleichen: Nach Volksstimme-Recherchen werden für die leere Genthiner Halle monatlich 48 930 Euro (zuzüglich Nebenkosten) an einen Unternehmer aus Hildesheim überwiesen. Für die nächsten drei Jahre könnten damit Leerstandskosten in Höhe von mehr als 1,76 Millionen Euro anfallen – und das ist kein Einzelfall in Sachsen-Anhalt.

Auch in der Landeshauptstadt Magdeburg ist das Problem bekannt. Von den 2485 Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften und größeren Wohnobjekten sind nur etwas mehr als die Hälfte der Plätze belegt (1432 Plätze). Laut Stadtverwaltung entstehen Leerstandskosten in Höhe von rund 198 000 Euro pro Monat. In Dessau-Roßlau sind es für 97 vorgehaltenen Wohnungen rund 40 000 Euro monatlich. Im Landkreis Jerichower Land, in dem aktuell rund 800 der 1500 Unterkunftsplätze frei sind, werden die Leerstandskosten auf 60 000 bis 80 000 Euro pro Monat beziffert.

Die drei Kommunen sind die einzigen in Sachsen-Anhalt, die transparent mit ihren Leerstandsausgaben umgehen. Alle anderen Kreise und kreisfreien Städte konnten oder wollten diese auf Anfage der Volksstimme nicht nennen. „Detaillierte Angaben zu den Leerstandskosten werden nicht erhoben“, sagt beispielsweie Corinna Sladky, Fachdienstleiterin Migration im Landkreis Börde.

Eine Tendenz lässt sich aus den Antworten der Kommunen aber dennoch erkennen: Die Landkreise versuchen, nicht mehr benötigte Objekte wieder loszuwerden. In der Börde, im Jerichower Land, im Altmarkkreis Salzwedel und im Salzlandkreis hat man beispielsweise bereits damit begonnen, Verträge zu kündigen.

Das Problem: Die Verträge laufen zum Teil über mehrere Jahre. Im vergangenen Sommer ist darüber spekuliert worden, dass 2016 bis zu 50 000 Flüchtlinge Sachsen-Anhalt erreichen könnten. Bis Ende Juli waren es jedoch nur 6972.

Im Burgenlandkreis, wo in den 18 Gemeinschaftsunterkünften jedes dritte Bett nicht belegt ist, bestätigt das Landratsamt die Schwierigkeiten. „Kündigungen nicht mehr benötigter Objekte gestalten sich schwierig, da Vertragslaufzeiten einzuhalten sind“, so eine Sprecherin auf Anfrage der Volksstimme. Von einer Unterkunft habe man sich bereits getrennt, eine weitere soll Ende des Jahres geschlossen werden.

Aus Sicht des Landesrechnungshofs sollten „mehrjährige Anmietungen von Liegenschaften ohne Kündigungsmöglichkeit möglichst vermieden werden“. Auch den Vertrag für den ehemaligen Einkaufsmarkt in Genthin kritisiert Rechnungshof-Präsident Kay Barthel. Die langfristige Anmietung von Objekten, „die nicht im möglichen Umfang genutzt werden beziehungsweise für deren Nutzung kein Bedarf besteht“, sei kritisch zu bewerten, so Barthel. Er äußert aber auch Verständnis – zum Zeitpunkt der Anmietung sei noch nicht absehbar gewesen, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln würden. Auch heute ist die Lage weiter unsicher. Eine „gewisse Reserve von Unterbringungskapazitäten“ hält der Rechnungshof deshalb für unverzichtbar.

Der Genthiner Fall nimmt inzwischen bizarre Züge an. Der ehemalige Einkaufsmarkt wird im Internet zum Verkauf angeboten – für 3,5 Millionen Euro. Der Eigentümer will aus seiner Situation offensichtlich Kapital schlagen und wirbt offensiv damit, dass die Immobilie für drei Jahre vermietet ist.

In einem anderen Fall hatte das Land im Januar noch rechtzeitig einen Rückzieher gemacht. In Halle-Trotha sollte auf einem früheren Kasernengelände ab September eine zentrale Aufnahmestelle des Landes eingerichtet werden. Der Zehnjahresvertrag hätte das Land rund 47 Millionen Euro gekostet.