1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Eltern fürchten soziale Spaltung in Kitas

Ganztagsanspruch Eltern fürchten soziale Spaltung in Kitas

Um den Ganztagsanspruch in Kitas und Krippen in Sachsen-Anhalt ist ein Streit entbrannt.

Von Jens Schmidt 23.03.2018, 00:08

Magdeburg l Die Auseinandersetzung um die vorschulische Kinderbetreuung nimmt Fahrt auf. Linke, Elternvertreter und Gewerkschaften machen Druck, den Ganztagsanspruch keinesfalls anzutasten. Und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte Finanzminister André Schröder (CDU) und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) zu sich zitiert: Beide Häuser sollen sich endlich auf eine gemeinsame Datenbasis verständigen, damit die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen kann.

Worum geht es? Die Koalition steht bei den Wählern im Wort, die Eltern möglichst von Kosten zu entlasten und zugleich die Qualität der Kitas zu verbessern. Die monatlichen Elternbeiträge sind zuletzt stark gestiegen. Für einen Ganztagsplatz in der Krippe sind im Mittel 200 Euro fällig, für die Kita 140 Euro. Das Kindergeld beträgt aktuell 194 Euro fürs erste Kind. Die SPD will, dass der Platz ab dem zweiten Kind künftig gratis ist. Das Sozialministerium hält die jährlichen Mehrkosten von etwa 50 Millionen Euro für verkraftbar. Derzeit schießt die Landekasse 350 Millionen Euro zu.

Auch die öffentlichen Ausgaben sind in den letzten Jahren stark gestiegen. 2012 zahlte das Land 180 Millionen Euro. Jetzt ist es fast das Doppelte. Hinzu kommen etwa 170 Millionen von den Kreisen, 180 Millionen Euro von den Gemeinden und schließlich zahlen Eltern etwa 160 Millionen Euro. Alles in allem fließen 800 Millionen Euro für 140.000 Kinder in Krippe, Kita und Hort. Das sind je Kind und Monat 480 Euro.

Die Kosten klettern vor allem seit 2013. Da kehrte Sachsen-Anhalt zum Ganztagsanspruch für alle Kinder zurück: gesetzlich verbrieft sind bis zu zehn Stunden. Tatsächlich in Anspruch genommen werden im Schnitt achteinhalb Stunden. (Hartz-IV-Empfänger bekommen Gratis-Plätze, diese können aber auf acht Stunden beschränkt werden, was einige Kommunen auch machen.) Von 2003 bis 2012 hatten Arbeitslose, Studenten oder Leute in Elternzeit nur einen Anspruch auf fünf Stunden.

Wie Eltern entlastet und das System dennoch solide finanziert werden kann, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Für viel Aufruhr sorgte die CDU mit ihrem Vorschlag: Das Land bezahlt künftig die kompletten Personalkosten für sechs Stunden. Den Rest tragen Kommunen und Eltern. Heißt: Vollzeitler und Pendler würden weitere Stunden zukaufen. Arbeitslose und Teilzeitler könnten sich das aber wahrscheinlich nicht leisten. „Wir wollen eine bedarfsgerechte Betreuung“, sagt Tobias Krull (CDU). Doch was ist mit dem Rechtsanspruch? Acht Stunden? Zehn Stunden? „Das ist noch in der Diskussion.“

Für Kritiker ist klar, worauf das praktisch hinausliefe: Eine radikale Abkehr vom Ganztagsanspruch für alle. Über die Betreuungszeit entschieden künftig Job und Kontostand. „Es droht eine soziale Spaltung unter den Kindern“, sagt Gordon Schüler, Chef der Landeselternvertretung für Kitas. Schlecht sei der Vorschlag aber auch für jene, die Vollzeit arbeiten. „Wenn Eltern künftig Betreuungsstunden hinzukaufen müssen, droht eine neue Runde unkalkulierbarer Beitragssteigerungen.“

Linke-Fraktionschef Thomas Lippmann sagte, Kitas seien in erster Linie Bildungseinrichtungen. „Wer sagt, Arbeitslose könnten ihre Kinder ja auch zu Hause behalten, ist voll neben der Sache.“

In der Kenia-Koalition wächst mittlerweile der Optimismus, dass sich die drei Parteien bald einigen. Ein Gesetzentwurf bis zu Sommer ist dem Vernehmen nach nun denkbar, ein neues Gesetz ab Anfang 2019 – und damit „nur“ ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant.

Der Kommentar zum Thema von Jens Schmidt.