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Gemeindegeld Ballenstedter Priester liegt Betrügern auf

Priester Bernard Gawlytta aus Ballenstedt hat eingeräumt, 120.000 Euro Kirchengeld veruntreut zu haben - ein Gespräch mit der Volksstimme.

Von Dennis Lotzmann 20.11.2018, 00:01

Ballenstedt/Magdeburg l Am Tag nach der großen Beichte des katholischen Ballenstedter Priesters Bernard Gawlytta mischt sich ins fassungslose Entsetzen unter den Mitgliedern der Kirchengemeinde die Frage, wie naiv man sein muss, um solchen Betrügern auf den Leim zu gehen. Eine Mail mit einem angeblichen Lottogewinn über knapp eine Million Euro, obwohl man doch gar nicht gespielt hatte. Müsste man da nicht sofort stutzig werden? Zumal die Masche alles andere als neu ist. Die Polizei wird nicht müde, davor zu warnen, ebenso Verbraucherschützer. Gawlytta – mit 64 Jahren noch voll im Dienst der katholischen Kirche stehend – schöpfte erst endgültig Verdacht, „als das Kind in den Brunnen gefallen war“, wie er am Montag gegenüber der Volksstimme sagte.

Der Dreh, mit dem ihn die offensichtlich in Spanien sitzenden Betrüger seit Juli um den Finger wickelten, passt, so wie es Gawlytta berichtet, ins klassische Bild. Erst der angebliche Gewinn, dann täuschend echt wirkende Zertifikate einer staatlichen spanischen Bank, dann scheibchenweise Gebühren, Steuern und Kosten für die Online-Transfers, die vorab zu zahlen seien.

Er habe, sagt Gawlytta, zunächst keinen Verdacht geschöpft und gezahlt. Mal 1200 Euro, dann 5000 Euro und zum Schluss gar 20.000 Euro auf einmal auf spanische Konten. „Und als dann bei mir Zweifel aufgekommen sind und ich nachgefragt habe, bin ich mit plausiblen Erklärungen eingefangen worden. Ich sei kurz vor dem Ziel, hieß es im Oktober“, berichtet der 64-Jährige.

Das Ziel, man kann es angesichts der Situation nur so formulieren, war der persönliche Abgrund. Nachdem Bernard Gawlytta zunächst 35.000 Euro Privatvermögen überwiesen hatte, griff er irgendwann in die Kirchenkasse und veruntreute weitere 120.000 Euro – er hatte alleinigen Zugriff auf bis zu 10.000 Euro. Dafür muss er nun sowohl kirchlich als auch strafrechtlich einstehen.

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, dem sich Gawlytta Anfang voriger Woche offenbarte, habe ihn alle kirchlichen Vollmachten entzogen, so Bistums-Sprecherin Susanne Sperling. Er dürfe nur noch kirchliche Tätigkeiten im Rahmen seiner Priester-Funktion wahrnehmen. Alle Vollmachten lägen nun beim bisherigen Stellvertreter im Kirchenvorstand. Außerdem habe Bischof Feige Gawlyttas Bitte, ihn von der Funktion als Dechant im Dekanat Halberstadt zu entbinden, entsprochen.

„Im Gespräch mit dem Bischof sind wir uns einig gewesen, dass wir hier nichts unter den Teppich kehren und die Polizei einschalten“, so Gawlytta. Das habe er in Form einer Selbstanzeige gegenüber dem Landeskriminalamt (LKA) am Freitag per Post gemacht.

Susanne Sperling bestätigt Gawlyttas Darstellung im Kern. So stelle sich der Sachverhalt nach den bisherigen kirchlichen Erkenntnissen tatsächlich dar. „Es gibt eine Mail, in der ihm mitgeteilt wird, in einer spanischen Lotterie gewonnen zu haben – ohne dass er daran teilgenommen hat“, so die Bistums-Sprecherin. Zugleich dementierte sie verbreitete Informationen, wonach der Priester das Geld beim illegalen Glücksspiel verzockt habe. „Letztlich bleibt natürlich abzuwarten, zu welchem Ergebnis Polizei und Staatsanwaltschaft kommen.“

Im LKA in Magdeburg wird derweil die vom Priester angekündigte Selbstanzeige erwartet. Laut dem Halberstädter Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck drohen bei Untreue in besonders schwerem Fall, der hier vorliegen könnte, bis zu zehn Jahre Haft.

Letztlich, so LKA-Sprecher Andreas von Koß, scheint der Mann perfiden Betrügern aufgesessen zu sein. Von derartigen Gewinnversprechen seien der Polizei im vorigen Jahr landesweit rund 150 Fälle bekannt geworden, 2018 sei mit einer ähnlich hohen Zahl zu rechnen. Die Täter gingen clever vor – ausländische Callcenter, Wegwerf-Mail-Adressen für kurzfristige Nutzung, Datentransfer mit Rechnern ohne IP-Adressen und schließlich Konten im Ausland, die in bar geleert werden. Das mache die Fahndung nach den Tätern schwer.

Und – was wollte Gawlytta, der als hilfsbereit bekannt ist, mit einer Million Euro? „Ich habe alles, wollte anderen Menschen helfen.“ Er hatte alles, nun hat er nichts mehr.