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Gerichtsurteil Haftstrafen für "zerschmetterten Schädel"

Vier Männer wurden vom Landgericht Magdeburg wegen Mordes verurteilt, weil sie einen Mann in Blankenburg zu Tode geprügelt haben.

Von Bernd Kaufholz 26.08.2019, 11:30

Magdeburg l Die 2. Jugendstrafkammer am Landgericht Magdeburg hat am Montag drei Männer aus dem Oberharz wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Der vierte Angeklagte, ein 20-Jähriger, muss für 7 Jahre in eine Jugendanstalt. Mit der Entscheidung hatte sich das Gericht dem Antrag der Halberstädter Staatsanwaltschaft angeschlossen.

Es sind keine Sheriffs, die in Zweierreihen zuhören, was ihnen die Vorsitzende Richterin der 2. Strafkammer, Anne-Maria Seydell, in ihrer Urteilsbegründung mit auf den Weg hinter Gitter gibt. Obwohl sich die Sicherheitsleute der Westernstadt "Pullman City" in Hasselfelde Silvio B. (43), André P. (35), André S. (20) und Christian M. (26), die für eine externe Sicherheitsfirma arbeiten, in völliger Selbstüberschätzung als Richter und Henker gleichzeitig gefühlt haben.

Die Security-Mitarbeiter hatten es schon längere Zeit auf einen 30-Jährigen abgesehen, weil dieser in Hasselfelde und Umgebung für "Unruhe" gesorgt haben soll. Einige der Vorwürfe lauteten, Thomas W.  habe Autoreifen zerstochen und Schutzgeld erpresst – sogar von Kindern. Dagegen müsse man doch etwas tun, so etwas könne man sich nicht gefallen lassen, meinten die "gerechten Vier".

Anfang Januar 2019 wurde der Plan konkreter. Man müsse W. "niederknüppeln" und "aus Hasselfelde vertreiben". Und am 2. Januar war es soweit. Am Abend machte sich das Quartett auf die Suche nach W. Im Kofferraum hatten die Männer Holzknüppel. Was sie nicht wussten, war, dass der 30-Jährige mit seiner Freundin in einem Blankenburger Hotel abgestiegen war.

Ein wildes Chatten in Online-Nachrichtendiensten begann, ein Foto des Gesuchten wurde gepostet. Jeder aus dem Bekannten- und Freundeskreis der vier Suchenden, der etwas über den Aufenthaltsort wisse, solle sich melden, hieß es. Man wolle dem Treiben von W. ein Ende setzen, damit wieder Recht und Ordnung einziehe und nicht länger die "Autorität des Wachschutzes untergraben" werde.

Und die Internet-Suche hatte Erfolg. W., der nach nur einer Nacht aus dem Hotel geflogen war und sich zudem eine Verletzung zugezogen hatte, wurde in Blankenburg aufgespürt.

Das "schwarze Rächerkommando", bewaffnet mit Teleskopschlagstöcken, Tonfa (Schlagstock mit charakteristischem Quergriff), womöglich auch einem Messer und Kabelbinder zum Fesseln, sowie Handfunkgeräten aus der Westernstadt schlich sich am 3. Januar am Eingang zur Volksbank an, wo W. darauf wartete, dass er aufgrund seiner Verletzung zum Arzt gefahren wird.

Als der 30-Jährige die Männer kommen sieht, flieht er, wird verfolgt und bleibt kurz darauf vor Erschöpfung stehen. Er kniet nieder und hebt die Arme. Doch das nutzt ihm nicht. Eine Prügel- und Trittorgie beginnt. Beteiligt sind alle vier Angeklagten. "Die Gewalt war dermaßen massiv", sagt die Vorsitzende Richterin mit Blick auf das rechtsmedizinische Gutachten. "Der Gesichtsschädel wurde regelrecht zertrümmert. Insgesamt wurden 45 Spuren stumpfer Gewalt festgestellt, 17 davon gegen den Kopf."

Ein Zeuge alarmiert die Polizei: "Die schlagen hier einen tot!" Als der Notarzt eintrifft, kann er um 21.21 Uhr nur noch den Tod des Opfers Thomas W. feststellen.

"Während des Prozesses haben die Angeklagten versucht, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben", so Seydell. "Der Wahrheit am nächsten, ist wohl die Aussage von André S. gekommen. Das Gericht sei überzeugt davon, dass an der Tat noch mehr Personen beteiligt waren, als angeklagt. Doch habe das in diesem Prozess keine Rolle gespielt.

"Das Gericht geht nicht davon aus, dass geplant war, W. zu ermorden", sagt die Vorsitzende am Montag. "Aber alle beteiligten wussten, was passiert, wenn man dermaßen gegen einen Menschen einwirkt." Da niedrige Beweggründe als Mordmotiv erwiesen seien, habe bei den erwachsenen Tätern "nur auf lebenslange Haft erkannt werden" können.

André S., der nach Auffassung des Gerichts zur Tatzeit die Reife eines Jugendlichen hatte, sei zur "Nacherziehung" für sieben Jahre in eine Jugendanstalt zu überführen.