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Glück und Pech Ohne sie wäre es langweilig

Zu Olympia gehört immer auch ein bisschen Glück. Casino-Croupier Torsten Sperlich spricht darüber.

Von Elisa Sowieja 04.08.2016, 01:01

Ist Ihnen schon mal ein Spieler vor Freude über sein Glück um den Hals gefallen?

Torsten Sperlich: Viele freuen sich zwar über ihre Gewinne, aber das ist mir noch nicht passiert. Denn auch wenn wir immer freundlich zu den Gästen sind, wahren wir stets ein bisschen Distanz, schließlich geht es um viel Geld.

Aus Ihrer Beobachtung heraus: Welche Reaktionen löst Glück bei Menschen aus?

Am Roulettetisch springt manchmal jemand auf oder reißt die Arme in die Luft. Insgesamt geht es im klassischen Spielbereich aber eher ruhig zu. Wenn hingegen an einem Automaten der Jackpot fällt, hört man oft auch Aufschreie.

Wie erklären Sie sich den Unterschied?

Roulette und Black Jack haben eine andere Geschichte als die Automatenspiele, es gibt sie schon viel länger. Früher wurden Casinos größtenteils von einer Klientel aufgesucht, die zur Hautevolee gehörte und sich dementsprechend verhielt. Es gab eine strenge Kleiderordnung, auch die Croupiers waren sehr reserviert. Das Verhalten der Gäste hat sich ein wenig so fortgesetzt – auch wenn die Gäste heutzutage gern auch in einer gepflegten Jeans zu uns kommen können und die Croupiers kommunikativer sind.

In Ihrem Job lernen Sie bestimmt auch neue Flüche.

Ja, das gehört dazu. Wenn die Gäste in Verlustphasen kommen, kommt es vor, dass der eine oder andere Spruch fällt.

Verraten Sie doch bitte mal einen.

Vorgestern beim Black Jack hat jemand, der aus seiner Sicht ständig schlechte Karten bekam, gesagt: „Nehmen Sie es nicht persönlich, aber Sie sind ein Seuchenvogel!“ Wir Croupiers stehen darüber. Es darf nur nicht ausarten.

Wie oft wird jemand, der Pech hat, ernsthaft sauer?

In der Regel nehmen die Gäste Verluste sportlich. Sie wissen, worauf sie sich einlassen. Wenn mal jemand permanent sehr verärgert reagiert, könnte das ein Anzeichen für Spielsucht sein, dann nehmen wir den Gast für ein Gespräch beiseite.

Welche aufmunternden Worte können einem Pechvogel helfen?

Wir versuchen es zum Beispiel mit: „Heute soll‘s nicht sein, beim nächsten Mal wird‘s sicher besser.“

Und was ist mit einem Verweis auf das Glück in der Liebe?

Das ist natürlich ein Standard-Spruch. Aber den bringen nicht wir, sondern der kommt meist von den Gästen selbst.

Fordern Sie selbst denn auch mal im Casino Ihr Glück heraus?

Na klar, ab und zu mache ich das schon. Allerdings gehe ich nie in die Spielbanken meines Arbeitgebers, das ist auch verboten.

Gewinnen Sie dann besonders oft?

Viele denken, dass man als Croupier etwas Besonderes kann und deshalb öfter gewinnt. Aber es zählt nun mal nur das Glück. Ich habe auch schon an einem Abend 500 Euro verloren.

Können Sie mit Ihrer Berufserfahrung Ihrem Glück nicht zumindest ein wenig auf die Sprünge helfen?

Überhaupt nicht. Theoretisch könnte ich gewisse Strategien verfolgen, so wie es manche Gäste tun, zum Beispiel beim Roulette immer auf Rot setzen und den Einsatz bei Verlust verdoppeln. Davon ist aber dringend abzuraten. Man rennt eigentlich nur dem kleinen Einsatz, den man zum Anfang getätigt hat, hinterher, dabei potenziert sich der Verlust sehr schnell. Und trotz Wahrscheinlichkeitsberechnungen kann auch 100 Mal hintereinander Rot kommen.

Welche Unterschiede zwischen Männern und Frauen beobachten Sie im Umgang mit Glück und Pech?

Frauen bringen ihre Freude mehr zum Ausdruck. Wenn sie in illustrer Runde am Tisch sitzen, dann ist da mehr Fez. Sie sehen es auch etwas gelassener, wenn sie nicht gewinnen. Männer neigen eher dazu, dann auch mal zu fluchen.

Und murmeln nur zufrieden in ihren Bart, wenn sie gewinnen?

Ich glaube, bei Männern spielt oft Eitelkeit eine Rolle. Viele denken: Ich führe doch jetzt keinen Affentanz auf.

Ein Sportler gewinnt größtenteils dank seiner Leistung, ein Casinospieler dank seines Glücks. Glauben Sie, die Freude ist bei beiden trotzdem die gleiche?

Genau wie der Sportler auf dem Siegertreppchen hat auch der erfolgreiche Roulettespieler sein Ziel erreicht: Er geht mit einem Plus aus der Spielbank. Aber ich denke, dass seine Freude nicht so intensiv ist wie die des Sportlers, weil er ja nicht so viel dafür getan hat. Selbst unter den Casino-Gästen gibt es viele Unterschiede. Wir haben zum Beispiel einige Roulette-Spieler, die zu Hause Wahrscheinlichkeiten errechnen und dann anschließend ihre Zahlen setzen. Ihnen bedeutet ein Gewinn wahrscheinlich auch mehr als anderen Gästen.

Obwohl es in Sportwettbewerben um Leistung geht, spielt das Glück immer mit. Finden Sie, es hat dort etwas zu suchen?

Ich finde, der Glücksaspekt ist eine gute Sache. Ansonsten wäre Sport für mich uninteressant. Ich würde nicht mehr zum Fußball gehen, wenn ich wüsste, dass Bayern München jedes Mal gewinnt. Wenn von Anfang an klar wäre, dass alle Zufälle ausgeschlossen sind, würde immer automatisch der stärkste Sportler gewinnen. Natürlich liegen Strategen mit ihren Tipps meist weit vorne, aber es ist immer eine Überraschung möglich. Auch ein Usain Bolt kann kurz vor der Ziellinie stürzen. Das ist dann natürlich Pech – aber es ist auch Glück für den Läufer hinter ihm.