Grütters: NS-Gedenkstättenbesuche für Lehrer und Polizisten
Zum Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge von Halle plädiert Kulturstaatsministerin Grütters für Pflicht-Besuche in NS-Gedenkstätten - zumindest für manche Berufsgruppen. Ein neuer Wettbewerb soll den Blick auf jüdischen Alltag hierzulande richten.
Berlin (dpa) - Besuche in NS-Gedenkstätten sollten nach Ansicht von Kulturstaatsministerin Monika Grütters für angehende Polizisten, Lehrer und Bundeswehr-Offiziere zum Pflichtprogramm gehören. "Ich finde, Besuche in Gedenkstätten sollten in ihrer Ausbildung wirklich einen festen Platz haben und verbindlich in die Ausbildungspläne aufgenommen werden", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin. Viele Jugendliche besuchten bereits Erinnerungsorte für die Verbrechen des Nationalsozialismus, sagte Grütters. "Wir müssen aber auch gerade diejenigen erreichen, die in unserer Gesellschaft als Vermittler und Vorbilder wirken."
Grütters äußerte sich am Vortag des Jahrestags des rassistischen und antisemitischen Anschlags von Halle an diesem Freitag. Ein schwer bewaffneter Deutscher hatte damals versucht, in die Synagoge des Ortes in Sachsen-Anhalt einzudringen, in der mehr als 50 Gläubige den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Als das misslang, tötete der Angreifer in der Nähe zwei Menschen, verletzte und traumatisierte viele weitere, ehe er gefasst wurde.
Grütters sagte, es gebe jährlich 1800 antisemitische Straftaten in Deutschland. Es sei unerträglich, dass Juden Bedrohungen fürchten und jüdische Einrichtungen geschützt werden müssten.
Judenhass bedrohe die Demokratie insgesamt und könne jeden treffen, betonte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. Er verwies auch auf den Angriff in Hamburg, wo ein 29-jähriger Deutscher mit kasachischen Wurzeln am Sonntag vor einer Synagoge mit einem Klappspaten angegriffen und schwer verletzt hatte. Dem Mann werden versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, die Staatsanwaltschaft geht von einer psychiatrischen Erkrankung aus. Klein merkte an: "Ob die Täter rechtsextrem sind oder krank, macht für die Opfer keinen Unterschied."
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erinnerte ausdrücklich an die beiden Menschen, die der Täter von Halle tötete, nachdem sein Angriff auf die Synagoge misslang. "Der Angriff von Halle war eine Zäsur." Auch er erinnerte an die Tat von Hamburg, zurückgeblieben sei "eine Beklommenheit". Dennoch sehe die große Mehrheit der Juden hierzulande ihre Zukunft weiter in Deutschland. "Wir zweifeln nicht daran, dass Deutschland unser Zuhause ist." Dazu trügen Solidaritätsbekundungen anderer Bürger bei, aber auch die rasche Reaktion der Politik auf Bund- und Länderebene.
Jüdinnen und Juden sollten in Deutschland nie wieder in Angst leben, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Auf den Anschlag könne es nur eine Antwort geben, "nämlich die Bekämpfung jeglicher Form von Antisemitismus in unserer Gesellschaft". Der Beauftragte der Bundesregierung für Terroropfer, Edgar Franke (SPD), appellierte dem Hass des Täters die Menschlichkeit und den Zusammenhalt der Gesellschaft entgegen zu halten. "Wir werden weiter für die Verletzten und Hinterbliebenen da sein, auch noch Jahre nach dem Anschlag", sagte Franke.
Zum Jahrestag des Anschlags startet auch der Fotowettbewerb "Zusammenhalt in Vielfalt - Jüdischer Alltag in Deutschland", der ausgelobt wird von Grütters, Klein, dem Zentralrat und der Initiative kulturelle Integration. Der Initiative gehören Religionsgemeinschaften, Vertreter von Regierung, Kommunen, Sozialverbänden, Medien und Zivilgesellschaft an. Teilnehmer können noch bis zum 20. Dezember Fotos zum jüdischen Lebensalltag in Deutschland einsenden. Der erste Preis ist mit 5000 Euro dotiert. "Jüdisches Leben ist vollständig normal in Deutschland. Und das wollen wir zeigen", sagte der Sprecher der Initiative kulturelle Integration, Olaf Zimmermann.
Zum Fotowettbewerb "Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland"