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Halle-Attentat Hohn und Spott für den Halle-Attentäter

Beim 19. Prozesstag gegen den Attentäter von Halle wurden die Internet-Aktivitäten von Stephan B. genauer betrachtet.

Von Matthias Fricke 05.11.2020, 09:30

Magdeburg l Beim 19. Prozesstag gegen den Attentäter von Halle ist Mittwoch die Journalistin und Autorin des Buches „Hasskrieger: Der neue globale Rechtsextremismus“ als sachverständige Zeugin vernommen worden. Sie hatte noch am gleichen Tag des Anschlags mehrere spezielle Online-Plattformen, sogenannte Imageboards, beobachtet. Diese seien mit geringem Aufwand erreichbar und sehr anonym. Die Software vergibt den Nutzern nur Nummern. In diesem anonymen Umfeld bewegen sich gerne auch Verschwörungs­theoretiker und Rechtsextreme.

An jenem 9. Oktober und auch später habe sie sich die Unterhaltungen genauer angesehen und Bildschirmfotos davon angefertigt. Dabei fiel der 35-Jährigen auf, dass anfangs viele hofften, dass es ein islamistischer Attentäter sei. So hieß es unter anderem: „Hoffentlich war es ein Musel.“ Der Begriff wird in der rechten Szene abfällig für Muslime genutzt. Später schossen vor allem Verschwörungstheorien ins Kraut. Schwarz schildert auch die Gefahr, die von dem im Netz verbreiteten Tatvideo ausgeht. „Das Publikum wird einbezogen, weil es als Multiplikator wirken soll“, analysiert sie. „Nutzer laden das Video herunter und laden es sofort auf anderen Plattformen hoch.“ So sei es schon beim Attentat im neuseeländischen Christchurch gewesen.

Später, als Details der Tat in der Öffentlichkeit bekannt wurden, erntete Stephan B. viel Hohn und Spott. „Sie haben viele Witze über ihn gemacht und kleine Bildmontagen dazu- gestellt“, sagt die Zeugin. Einer der Nutzer schrieb: „Das war der peinlichste Amoklauf, den ich je gesehen habe.“ Stephan B. sah sich im Prozess die Kommentare auf seinem Bildschirm an und verzog dabei keine Miene.

Die Verteidigung beantragte am Ende des Tages die Aussetzung oder zumindest eine dreiwöchige Unterbrechung des Prozesses. Der Grund: Nebenklageanwälte hatten beantragt, die Anklage um einen weiteren Fall des versuchten Mordes zu erweitern. Stephan B. hatte bei seiner Flucht einen 24-jährigen Somalier angefahren und verletzt. Die Bundesanwaltschaft stufte dies bisher als fahrlässige Körperverletzung ein. Die Verteidiger müssten sich nun auf diese neue rechtliche Situation einstellen.

Die Vorsitzende Richterin, Ursula Mertens, sagte, dass nach vorläufiger Bewertung des Antrags eine Aussetzung ihrer Meinung nach nicht in Betracht komme. Sie gab der Nebenklage und der Bundesanwaltschaft aber Gelegenheit, bis 16. November auf den Antrag zu reagieren und wolle sich mit den anderen vier Berufsrichtern beraten.

Gewaltfantasien und rechtsextreme Abgründe in Online-Netzwerken. Karolin Schwarz, Journalistin und Expertin für rechte Propaganda im Internet, über dessen Rolle als"Hasskrieger" im Netz. Mehr dazu im Video von Videojournalistin Samantha Günther.