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Halle-Attentat Drei Minuten purer Hass

Am 25. Prozesstag leugnet Halle-Attentäter Stephan B. erneut den Holocaust. Verteidiger sieht verminderte Schuldfähigkeit.

Von Matthias Fricke 09.12.2020, 18:40

Magdeburg l Nach 25 Prozesstagen steht nur noch das Urteil des Strafsenates des Oberlandesgerichtes aus. Seit Mittwoch haben inzwischen alle Prozessparteien ihr Plädoyer gehalten: Für die Bundesanwaltschaft kommt nur eine Verurteilung wegen Mordes mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung in Betracht. Die mehr als 20 Anwälte der 45 Nebenkläger schlossen sich dem weitgehend an. Der Pflichtverteidiger Hans-Dieter Weber aus Karlsruhe stellt in seinem Schlusswort am Mittwoch keinen konkreten Antrag. Er sagt nur: „Das Gericht möge ein gerechtes Urteil fällen.“ Mehr zu dem 25. Prozesstag gibt es hier im Video.

Weber, der den 28-jährigen Angeklagten bereits seit seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter vertritt, hat sich schon an dessen Eigenheiten gewöhnt. Ein Nebenklageanwalt drückte es vor kurzem so aus: „Alle goldenen Brücken, die der Verteidiger seinem Mandanten gebaut hat, riss der Angeklagte immer wieder mit seinen Äußerungen ein.“

Weber drückt es in seinem Schlusswort etwas galanter aus: „Ich habe den Angeklagten bewusst nicht reglementiert.“ Vor den Kameras sagt er später: „Für einen Verteidiger ist es denkbar schlecht, einen konkreten Strafantrag zu stellen, wenn der Mandant auch vor Gericht sich uneinsichtig zeigt.“

Der Verteidiger sieht im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft und der Nebenkläger seinen Mandanten nicht als voll schuldfähig an. Der psychiatrische Gutachter Professor Norbert Leygraf hatte von einer komplexen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten gesprochen, die durch schizoide, paranoide und selbstunsichere Anteile geprägt seien. Die Störung entspreche dem Rechtsbegriff der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“. Während der Gutachter dennoch keine geminderte Schuldfähigkeit sieht, ist Weber anderer Auffassung. Er sagt: „Es ist jetzt die ureigenste Aufgabe des Gerichts, die Schuldfähigkeit festzustellen.“ Sollte, wie er meint, eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen, müsste sich auch der Strafrahmen verschieben.

Auch von der geforderten Sicherungsverwahrung halte Weber nichts: „Mit 28 Jahren ist der Angeklagte noch sehr jung. Ich bin mir sicher, dass die Zeit im Gefängnis ihn verändern wird.“ Auch in mehreren einzelnen Punkten widerspricht der Verteidiger der Bundesanwaltschaft. So sieht er die Voraussetzungen für einen versuchten Mord beim Angriff auf die Synagoge als nicht gegeben an, weil der Attentäter schon an der ersten Außentür sein Vorhaben abbrechen musste.

Die Grundlage für einen versuchten Mord würde nach seiner Auffassung auch für die Passantin Mandy R. auf der Humboldtstraße und weitere Personen im Dönerimbiss und der Straße davor fehlen. Die beiden von der Bundesanwaltschaft als versuchten Mord klassifizierten Schüsse auf Jens Z. und Dagmar M. in Wiedersdorf (Saalekreis) bewertet Weber nur als gefährliche Körperverletzung und versuchte räuberische Erpressung.

Stephan B. spricht in seinem hasserfüllten dreiminütigen Schlusswort von einem „politischen Schauprozess“. Er stellt sich selbst in die Reihe der verurteilten Nationalsozialisten bei den Nürnberger Prozessen. Der Rechtsterrorist erklärt, dass das Verfahren ihn nicht „vom rechten Weg“ abbringen werde. Anschließend leugnet er ein weiteres Mal in diesem Prozess den Holocaust, woraufhin mehrere Nebenkläger laut protestieren und die Richterin die Verhandlung kurz unterbricht. Der Satz wird wegen des Verdachts der Straftat protokolliert.

Am Ende fragt die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens erneut, ob Stephan B. noch etwas zu sagen hat. Er antwortet darauf nur: „Ich habe alles gesagt.“