Magdeburger Ikone des deutschen Sports feiert morgen seinen 70. Geburtstag. Von Klaus Renner Hans-Georg Moldenhauer: Vom Tor ins Zentrum der Sportgeschichte
Hans-Georg Moldenhauer blickt morgen auf sieben ereignisreiche Lebensjahrzehnte zurück. Der promovierte Ingenieur hütete mehr als ein Jahrzehnt das Tor des 1. FCM und avancierte in der Wendezeit zur Ikone des ostdeutschen Sports. Unter den Gratulanten wird DFB-Präsident Theo Zwanziger sein.
Magdeburg lEin zehnjähriger blonder Junge pilgert, seine kleine Hand in der großen seines Vaters, an einem Herbsttag 1963 über den holprigen, pfützenübersäten Parkplatz in Magdeburg-Cracau, auf dem heute die GETEC-Arena steht. Nur noch wenige Meter trennen beide von der Fußball-Arena gleich hinter den Eisenbahnschienen unweit des Lagerplatzes für ewig staubende Braunkohle. Das Gedränge der 30000 Zuschauer vor dem Stadion, das aus dem Schutt des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Magdeburgs aufgeschüttet wurde, steigt ins Unermessliche.
Dann, nur ein paar Schritte vom Anstieg auf den Stadionwall entfernt, gelingt ein flüchtiger Blick über den Zaun, dahin, wo sich 16 Magdeburger Fußballspieler, damals noch in grün-roten Trikots, auf ihren großen Auftritt in der Manege vorbereiten. Und da sieht er ihn: Mit seinen 1,92 Meter nicht zu übersehen, schlank, schwarze Hose, schwarzer Pullover, die Hände in den Torwarthandschuhen, scheinbar groß wie Kuchenbleche - Hans-Georg Moldenhauer. Der Torwart des damaligen SC Aufbau Magdeburg setzte gerade zum Höhenflug seiner sportlichen Laufbahn an.
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Rückblick: Eher nur Mittelmaß war der langaufgeschossene Hans-Georg Moldenhauer, als er im zarten Alter von zwölf Jahren in Mittelfeld und Abwehr seine Fußball-Karriere begann. Fast wäre der "Lange" dem Ruf der damals noch erfolgreich Großfeld spielenden Handballer gefolgt. Doch seine Kicker-Kollegen wollten ihn nicht gehen lassen und stellten ihn ins Tor - wenige Jahre später hatte es Moldenhauer in die DDR-Junioren-Auswahl geschafft, wo er es auf sechs Länderspiele brachte.
Bis zu seinem 30. Lebensjahr hielt er seinem Verein die Treue, absolvierte 152 Pflichtspiele und wurde dreimal Pokalsieger. Neben dem Sport versäumte es "Molli", wie ihn seine Freunde nennen, nicht, das Abi abzulegen, an der damaligen Technischen Hochschule Magdeburg sein Ingenieur-Diplom abzulegen und später sogar zu promovieren.
"Ich habe niemals nur eingleisig geplant", lässt der Jubilar heute seine Gedanken schweifen, "und als mir im Magdeburger SKET eine Stelle als Abteilungsleiter angeboten wurde, sagte ich zu, fuhr, solange ich aktiv Fußball spielte, morgens um 7.30 Uhr zur Arbeit und von dort zum Vormittagstraining."
Was zu jener Zeit niemand auch nur ahnen konnte: Mit der Übernahme des ehrenamtlichen Vorsitzes beim Magdeburger Bezirks-Fachausschuss Fußball im Jahre 1984 stellte Hans-Georg Moldenhauer unbewusst die Weichen für seinen wahrlich kometenähnlichen Aufstieg in die höchsten Ämter des gesamtdeutschen Sportes.
Doch dazu bedurfte es der politischen Wende im Osten Deutschlands. "Es stellte sich 1990 die Frage, wie es mit dem ostdeutschen Fußball weitergehen sollte", erinnert sich Moldenhauer heute jener stürmischen Tage. Zusammen mit seinen 13 Bezirks-Amtskollegen reichte er, wie es sich seinerzeit geziemte, eine zehn Punkte umfassende "Magdeburger Erklärung" beim DDR-Fußballverband ein. Und dann geschah etwas, was auch Moldenhauers bisherigem Leben eine grundlegende Wendung gab: Er wurde im März 1990 beim Verbandstag des Fußballverbandes, in der DDR bis dahin unmöglich, als Gegenkandidat zum alteingesessenen Amtsinhaber gewählt. "Ich war am Abend zuvor ganz entspannt ins Bett gegangen, hatte Zeitung gelesen und mir keine Chancen wegen meiner möglichen Wahl ausgerechnet. Eigentlich wollte ich das gar nicht", reflektiert Moldenhauer. Als am nächsten Tag nach der Hälfte der ausgezählten Stimmen ihm ein Freund auf die Schulter klopfte und sagte, er würde deutlich vorn liegen, wurden dem späteren Präsidenten des DDR-Fußball-Verbandes dann doch die Knie weich ...
In den dramatischen und ereignisreichen Folgemonaten ging es Schlag auf Schlag: Moldenhauer wurde im Mai 1990 mit 98 Prozent der Stimmen ins letzte Nationale Olympische Komitee der DDR gewählt und stand fortan im historischen Brennpunkt des sich vereinigenden deutschen Sportes: Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes sowie des Deutschen Sportbundes, Mitglied des NOK für Deutschland und 1. Vizepräsident des Landes-Sportbundes Sachsen-Anhalt, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes, Vorsitzender des Trägervereins für das Bundesleistungszentrum Kienbaum - und oftmals sechs Tage pro Woche auf Achse.
Der Magdeburger Sportfunktionär machte sich stark für den Erhalt möglichst vieler überlebenswerter Sportstrukturen und den Neubau bzw. die gründliche Sanierung von Sportstätten im Osten der Republik. Nicht alles war realisierbar - Moldenhauer hatte bei Abstimmungen eben auch nur eine Stimme.
Dann eine weitere maßgebende Wende - die schwere, viel Pflege erfordernde Erkrankung seines Schwagers vor eineinhalb Jahren, und auch in diesem Punkt zeigte "Molli" Konsequenz: "Ich wollte meine Frau damit nicht allein lassen. Nach so vielen Jahren in öffentlichen Funktionen ist jetzt meine Familie dran."
Alle Ehrenämter hat der in Ehren ergraute, dabei schlanke ehemalige Klassetorwart abgegeben. Nur seinen Vorsitz des Kienbaumer Trägervereins wird er bis zur Neuwahl 2013 weiter ausüben.
Der morgige Tag gehört einzig und allein Hans-Georg Moldenhauer. DFB-Chef Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach, Magdeburgs ehemaliger OB Willi Polte und ungezählte weitere Wegbegleiter haben sich angesagt und wollen zu Ehren eines epochemachenden Baumeisters des wiedervereinigten deutschen Sportes das Glas erheben.
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47 Jahre sind ins Land gegangen, seit der kleine Junge mit seinem Vater regelmäßig die Spiele des SC Aufbau und dann des FCM bewunderte. Die Erinnerung ist nicht verblasst. Das Kind ist längst erwachsen und hat sich Zeit seines Lebens dem Sport verschrieben - es ist der Autor dieses Beitrages.