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Mutmaßlicher Zeuge belastet ehemaligen Revierleiter des Jerichower Landes schwer Hat sich ein hoher Polizeibeamter im Müllskandal bestechen lassen?

Von Michael Bock und Bernd Kaufholz 15.09.2011, 04:37

Ist die Polizei in den Müllskandal im Jerichower Land verwickelt? Ein Kaufmann behauptet, der frühere Leiter des Polizeireviers Burg sei mehrfach bestochen worden. Heute will der mutmaßliche Kronzeuge bei der Staatsanwaltschaft Stendal auspacken.

Magdeburg. Die Geschichte um die illegale Müllentsorgung in den Tongruben Vehlitz und Möckern (beide Jerichower Land) zieht immer weitere Kreise. Nun gerät sogar ein hoher Polizeibeamter ins Visier der Ermittler. Der Ex-Leiter des Polizeireviers Burg, Armin Friedrichs, soll in mehreren Fällen bestochen worden sein. Das jedenfalls behauptet der Kaufmann Stefan Euer. Friedrichs habe im Jahr 2005 "mehrfach Geld und andere Leistungen" vom inzwischen in anderer Sache rechtskräftig verurteilten Uwe Schneider angenommen. Euer sagte: "Ich war bei den Übergaben dabei." Friedrichs soll im Gegenzug die illegale Müllverkippung gedeckt haben. Der mutmaßliche Zeuge beteuerte: "Müllfahrer haben eine bestimmte Telefonnummer bekommen, die sie im Fall einer Polizeikontrolle anrufen sollten."

Noch brisanter wird diese Aussage durch Euers Behauptung, dass in den Tongruben auch kontaminierter Krankenhausmüll abgekippt worden sei. Für die Entsorger ein höchst profitables Geschäft, denn dieser Müll muss normalerweise für viel Geld – laut Euer "eine Tonne für 1200 Euro" – in Spezialanlagen entsorgt werden. Bislang war nur von der illegalen Einlagerung von 1,5 Millionen Tonnen Hausmüll die Rede gewesen.

Friedrichs, der 2008 zunächst ins Innenministerium versetzt worden war und seit Februar vorigen Jahres Leiter des Börde- reviers (Haldensleben) ist, wies die Anschuldigungen gestern vehement zurück: "Das ist absoluter Schwachsinn. Ich habe weder Geld noch andere Zuwendungen von Herrn Schneider erhalten."

Er bestritt nicht, dass er und Schneider gut bekannt seien.

Ein weiterer Vorwurf Euers: Zum 40. Geburtstag Schneiders im März 2002 war neben der "Müllprominenz" auch Friedrichs eingeladen. Der hohe Polizeibeamte soll zu fortgeschrittener Stunde Streifenwagen angefordert haben, um alkoholisierte Gäste sicher nach Hause bringen zu lassen. Auch diese Darstellung wies Friedrichs, der seit 40 Jahren bei der Polizei ist, zurück.

Euer kündigte an, er werde heute zur Staatsanwaltschaft gehen und dort gegen die Zusicherung, selbst nicht strafverfolgt zu werden, weitere brisante Details enthüllen. Dass die Staatsanwaltschaft dazu unter bestimmten Bedingungen bereit ist, zeigt das Beispiel des zweiten Kronzeugen im Müllskandal, Uwe Schneider. Der war 2009 zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren verurteilt worden; inzwischen ist er, befürwortet von der Staatsanwaltschaft, per Gerichts- beschluss ein sogenannter Freigänger, der tagsüber arbeitet und erst abends wieder in die Justizvollzugsanstalt Magdeburg zurückkehren muss.

Auf die Frage, warum er erst jetzt auspackt, sagte Euer, dass ihn der Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg (parteilos), öffentlich geoutet habe. Aus Gründen des Selbstschutzes vertraue er sich jetzt der Staatsanwaltschaft an. Hat er, der Kronzeuge, keine Angst? Euer auf die Frage: "Ich bin seit 25 Jahren Kampfsportler. Ich fürchte weder den Teufel noch Herrn Finzelberg." Euer hatte vor knapp zwei Wochen Finzelberg schwer belastet und ihn der Bestechlichkeit im Amt bezichtigt. Finzelbergs Anwälte verlangten daraufhin eine Unterlassungserklärung, die Euer bis zum 19. September unterschreiben soll. Euer bleibt bei seiner Darstellung: "Das werde ich nicht unterschreiben."