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Heftige Debatte Sachsen-Anhalts AfD zerlegt sich selbst

Heftige Querelen und zahlreiche Intrigen: Bei einem Blick in den internen WhatsApp-Chat der AfD Sachsen-Anhalt tun sich Abgründe auf.

Von Michael Bock 04.09.2018, 20:00

Magdeburg l Der AfD-Landesvorsitzende Martin Reichardt sagte am Dienstag, der Umgang miteinander sei „für die Partei nicht gerade förderlich“. Ansonsten hielt er sich bedeckt: „Das sind Privatangelegenheiten, die ich nicht kommentieren werde.“

Ausgangspunkt sind intime Nachrichten zwischen dem früheren AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden André Poggenburg und einer Frau aus dem Kreisverband Magdeburg. Dabei geht es auch um erotische Vorlieben und Fotos. Die vertraulichen Textverläufe wurden der linken Internetseite „indymedia“ zugespielt. Poggenburg vermutet, dass parteiinterne Heckenschützen dahinter stecken. Belege dafür konnte er bisher nicht liefern. In der WhatsApp-Gruppe des AfD-Landesverbandes beklagte sich der 43-Jährige bitter, seine Gegner hätten mit dem „linken Mob und Feind paktiert“ und diesem die Chatnachrichten zukommen lassen. „Ich frage mich ernsthaft, was für ein Rattenloch eine Partei oder Fraktion überhaupt sein kann“, empörte er sich.

Für seine Wortwahl entschuldigte sich Poggenburg am Dienstagabend öffentlich. Er habe in einer internen Gruppe allgemein Parteien so betitelt und nicht explizit die AfD, twitterte er. "Trotzdem entschuldige ich mich hier für diesen Ausdruck!"

Nach Poggenburgs Äußerungen ging es zuvor in der Chatgruppe im Minutentakt hoch her. Dabei wurde viel Verständnis für Poggenburgs Ärger geäußert. Der Landtagsabgeordnete Matthias Lieschke schrieb: „Eine Verbreitung solch privater Dinge ist Parteiverrat.“ Der Harzer Abgeordnete Mario Lehmann erregte sich über „Gesindel aus den eigenen Reihen“, über „solche Brut“ und über „Charaktermutanten“. Wutentbrannt schrieb er: „Das ist das Unterirdischste, das ich bei der AfD nun kennenlernen durfte. So jemand sollte achtkantig aus der Partei fliegen.“

Mario Lehmann ist der Vater von Lisa. Diese hatte sich nach Bekanntwerden der intimen Nachrichten von Poggenburg getrennt.

Eine anderes AfD-Mitglied kommentierte die parteiinternen Intrigen so: „Leider wie in jeder Partei gilt auch hier: Feind, Erzfeind, Parteifreund! Aber die Charakterschweine bekommen ihren Lohn.“

Andreas Kühn aus dem Kreisverband Börde schäumte: „Am besten ist es, wenn diese Runde um einige Mitglieder gekürzt wird. Wir sind eigentlich ein gesunder Organismus, und manches Geschwür sollte man operativ entfernen.“ Der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, ein Poggenburg-Gegenspieler, entgegnete: „Diese Metaphorik halte ich für unangemessen. Niemand hier ist eine kranke Wucherung.“ Ein anderes AfD-Mitglied schrieb: „Dieser Chat ist besser als jede daily soap. Sex und Crime.“

Die Debatte um eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz hält indes an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wirft der AfD eine Entwicklung hin zu einer demokratiefeindlichen Partei vor. Die Partei habe in Chemnitz ihre bürgerliche Maske abgelegt und ihr wahres Gesicht gezeigt, sagte er. „Für mich steht dahinter eine beginnende Denke, die in Richtung Verfassungsfeindlichkeit geht.“ Der Bielefelder Staatskundler Christoph Gusy hält eine Beobachtung der AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt für dringend geboten. Dort gebe es Anzeichen für eine Fraternisierung der Partei mit verfassungsfeindlichen Gruppen wie „Pegida“ oder mit NPD-Mitgliedern.

Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef Reichardt sprach von einer „politisch motivierten Kampagne der Altparteien und Medien“. Steigende Umfragewerte und die gute politische Sacharbeit von Landesverband und Landtagsfraktion führten „offenbar zu panischen Reaktionen des Establishments“. Das schärfste staatliche Schwert der Verfassungsschutz-Beobachtung solle missbraucht werden, „um sich eines erfolgreichen politischen Mitbewerbers zu entledigen“.

Der Kommentar "Erbitterter Lagerstreit" zum Thema.