1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Großrazzia in der Fleischbranche

Illegale Leiharbeit Großrazzia in der Fleischbranche

DIe Bundespolizei durchsucht mit dutzenden EInsatzkräften Vermittlerfirmen in Sachsen-Anhalt.

Von Bernd Kaufholz 24.09.2020, 01:01

Weißenfels/Bernburg l Rund 800 Bundespolizisten haben gestern Firmensitze von verschiedenen Zeitarbeitsfirmen in Sachsen-Anhalt, Sachsen,  Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Der Verdacht besteht, dass Arbeitskräfte für die Arbeit in der Fleischindustrie illegal eingeschleust wurden.

Punkt 4 Uhr standen Bundespolizisten am Mittwoch vor den Türen der Hauptsitze und Nebenstellen von Leiharbeitsfirmen sowie von Mitarbeiterwohnungen der betreffenden Verleiher und vor Unterkünften von Fleischarbeitern. Schwerpunkte für die Großrazzia in fünf Bundesländern waren Sachsen-Anhalt mit Weißenfels (Burgenlandkreis) und Bernburg (Salzlandkreis) sowie Niedersachsen.

„Es geht um banden- und gewerbsmäßige Einschleusung von Arbeitern für die Fleischindustrie in großem Stil sowie um Urkundenfälschung“, teilte Karsten Täschner, Pressesprecher der Bundespolizei für Mitteldeutschland, am Mittwoch der Volksstimme mit. Im Fokus der Ermittler stünde ein Konstrukt aus verschiedenen Zeitarbeitsfirmen. „Über diese sind im vergangenen halben Jahr mehr als 80 Menschen aus Osteuropa nach Deutschland geschleust worden.“

Naumburgs Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang sagte der Volksstimme, dass die Schleusungen immer nach demselben Muster vonstattengegangen seien. „Es waren hauptsächlich Menschen aus Weißrussland, dem Kosovo und der Ukraine, die nach Deutschland gelockt wurden. Damit das klappt, wurden sie mit rumänischen und lettischen Papieren versorgt. Also von EU-Ländern, deren Bürger auch bei uns arbeiten dürfen.“

Als den Bundespolizisten bei Kontrollen auf Bahnhöfen und an Grenzübergängen vermehrt Personen mit gefälschten rumänischen sowie lettischen Pässen auffielen und sie zu ermitteln begannen, schwenkten die Schleuser um und rüsteten unter anderem ukrainische Bürger mit gefälschten Immatrikulationsbescheinigungen aus. „Damit hatten die Scheinstudenten die Möglichkeit, in Deutschland an Praktika teilzunehmen und landeten auf diesem Wege in den Fleischunternehmen. Allerdings hatte niemand von ihnen je eine Uni von innen gesehen.“

„Seit April dieses Jahres war eine Sonderkommission der Bundespolizei den Schleusern und den illegal agierenden Verleihfirmen auf der Spur“, so Bundespolizist Täschner.

Ins Netz der Ermittler gingen gestern nach Angaben der Bundespolizei zehn Hauptbeschuldigte im Alter zwischen 41 und 56 Jahren, darunter zwei Frauen. Bei der Polizeiaktion wurde eine Vielzahl von Beweismitteln wie Datenträger, Firmenunterlagen und andere Dokumente sichergestellt.

In Niedersachsen durchsuchten Ermittler bis Mittag Objekte in Garbsen, Papenburg, Twist und Bassum.

Deutschlands größter Fleischkonzern Tönnies betonte gestern, dass das Unternehmen von der Razzia nicht betroffen sei. „An unserem Standort Weißenfels gibt es bisher keine Durchsuchung“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind im Zuge der Corona-Krise stark in die Kritik geraten. In der Branche gab es eine Serie von Ausbrüchen des Erregers, was Kritiker auf die Arbeitsbedingungen sowie die Unterbringung vieler Beschäftigter in beengten Gemeinschaftsunterkünften zurückführen. In den Schlachtbetrieben sind viele Osteuropäer beschäftigt, die für Subunternehmer arbeiten.