1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Der Comiczeichner mit dem Promisitz

Illustrator Der Comiczeichner mit dem Promisitz

Comiczeichner Tobias Wagner aus Sachsen-Anhalt sammelt Unterschriften von Promis für einen guten Zweck. Und nicht nur das.

Von Vera Heinrich 16.06.2019, 06:40

Schöppenstedt l Dagobert Duck, Lucky Luke, Garfield. Sie alle schauen Tobias Wagner bei seinem Tagwerk über die Schulter. Im Arbeitszimmer des selbstständigen Illustrators und Layouters hängen gerahmte Drucke und Originalzeichnungen seiner Kindheitshelden, gefertigt von den großen Namen der internationalen Cartoon- und Comicszene. Garfield-Erfinder Jim Davis, der bekannte Disneyzeichner Carl Barks oder die belgische Comicgröße Dupa, der Schöpfer der Geschichten um den weißen Wuschelhund Cubitus, zählen zu Wagners Vorbildern.

Als kreativer Geist legt er Wert auf ein inspirierendes Umfeld. Sein Arbeitszimmer verströmt die kreative Energie, die ihn antreibt. Zwei Schreibtische stehen sich gegenüber. Der eine moderntechnisiert mit Grafik-Pad, hochauflösenden Monitoren und der klassischen Büroausstattung eines Freiberuflers.

Der andere ein alter Schultisch aus Holz voller Zeichenutensilien: Papier, Farbstifte, Stahlfedern in verschiedenen Breiten, Porträtskizzen aus schwarzer Tinte. Eine E-Gitarre steht in der Ecke. Der Schöppenstedter probiert sich gern aus – in künstlerischer wie in beruflicher Hinsicht.

„Nach jedem erfolgreich abgeschlossenen Projekt leiste ich mir eine dieser Besonderheiten“, berichtet er, auf die kleine private Galerie zeigend, „als kleine Belohnung“. Mit einem Hauch von Stolz auf seine Sammlerstücke gewährt der bescheidene Tausendsassa einen Blick hinter die Kulissen seiner vielseitigen Kreativarbeit.

Stolz kann er auch sein. Nicht nur auf die Originalzeichnung des bekannten Cartoonisten Uli Stein, die dieser ihm extra widmete. Mit seinen 41 Jahren blickt Tobias Wagner schon auf 17 Jahre erfolgreiche Freiberuflichkeit zurück – und das in einer Branche, die leichtfertig gern als brotlose Kunst abgetan wird. Er zeichnet aus Leidenschaft wie aus Berufung.

Tobias Wagner schätzt zwar das konzentrierte Arbeiten in seinem stillen Kämmerlein – gerade wenn es um größere Projekte geht. So gestaltete er im letzten Jahr den Jubiläumscomic zu 900 Jahren Wolfenbüttel. Angefangen hat alles mit der Sat.1-Show „Was guckst du?!“. Für die Homepage der Comedy-Sendung zeichnete er Cartoons. Außerdem fertigte er Layout und Zeichnungen zu einer Reihe von Geschichtscomics eines Osterwiecker Verlages an, die in Quedlinburg, Magdeburg, Wittenberg und Hildesheim spielen.

Zeichenprojekte zur Stadtgeschichte, aber auch zur Firmenhistorie liegen ihm ganz besonders. Der Ehemann einer Quedlinburgerin verrät: „Ich mache einfach das, was ich gut kann.“ Damit hat er seine Nische gefunden. Zu seiner Arbeit gehört nicht nur die zeichnerische Umsetzung. Er wälzt viel Material, recherchiert, filtert und gibt alles in einer Art der Aufbereitung wieder, die informiert, unterhält und überrascht. Dabei ist der Comiczeichner sehr vielseitig interessiert. „Mal etwas über die Ostsee“ würde er gern machen, da sie zu seinen liebsten Urlaubszielen gehört.

Aber Tobias Wagner ist keiner, der sich hinter Papier und Stift verschanzt. Er schätzt den Austausch mit anderen, gerade auch mit Schülern. Es bereite ihm große Freude, sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben.

Das merken auch die 6277 Nutzer seines Online-Zeichenkurses (Stand: März 2019). Ob Clowns, Pinguine, Piraten, Flamingos, Pilze oder sogar erkältete Menschen: Auf der Video-Plattform YouTube gibt Tobias Wagner Schritt für Schritt Anleitungen zum Comiczeichnen. Seine kurzweiligen Zehn-Minuten-Filme kommen beim Internetpublikum gut an. Kommentare wie „Samstag ist Tobi-Tag“ oder „Wie immer cool, durch diesen Channel habe ich ein neues Hobby gefunden“ lassen darauf schließen, dass er mit seiner lockeren und witzigen Art punktet. Nebenbei engagiert sich der Vater einer 13-jährigen Tochter auch noch ehrenamtlich. Er ist aktives Mitglied im Naturschutzbund Deutschland, erstellt seit vielen Jahren dessen Jahresprogramm. Schon seit 2018 sammelt er Erfahrung in der Lehrtätigkeit, als er ehrenamtlich eine AG an der Schule seiner Tochter leitete. Ein halbes Jahr lang brachte er Fünft- und Sechstklässlern das Comiczeichnen bei.

Derzeit leistet er zudem tatkräftige Unterstützung bei der Herausgabe der Schülerzeitung. Im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts der Integrierten Gesamtschule Wallstraße Wolfenbüttel teilt Tobias Wagner seine langjährigen Erfahrungen als Journalist und Layouter mit den Neunt- und Zehntklässlern. Er begleitet den Unterricht einer Deutschlehrerin mit Tipps zum Schreiben. „Der SpIGSettel ist in diesem Jahr sogar für den Niedersächsischen Juniorenpressepreis nominiert“, verkündet er.

Apropos Preis: Für den diesjährigen Comic-Preis „Wilhelm Busch & Co.“ wurde der Zeichner in die Jury berufen. Auch hier hat er es wieder mit den kreativen Arbeiten von Schülern zu tun. Er entscheidet mit, welche Beiträge unter dem Motto „Superhelden des Alltags“ der jungen Künstler zu den Siegern gekürt werden.

Viele der berühmten Persönlichkeiten staunen beim Anblick des Stuhls darüber, wer alles schon mitgemacht hat.

Tobias Wagner

Doch Schule spielt auch in anderer Hinsicht eine große Rolle in seinem Leben. Bei einem Pressetermin in seiner alten Schule stieß Tobias Wagner auf einen Haufen alter Stühle, die ausrangiert werden sollten. Seinerzeit selbst als Schüler auf einem dieser wild beklebt und bekritzelten Holzstühle sitzend, musste er davon einen haben. Nicht nur aus sentimentalen Gründen, denn sofort kam ihm eine Idee dazu. Das Sitzmöbel sollte als Requisit für Fotoaufnahmen dienen.

Multitalent Wagner verdingt sich neben dem Illustrieren und Layouten schon seit vielen Jahren erfolgreich als Fotograf. Was sich aus diesem ersten Einfall entwickelte, konnte er allerdings zu dem Zeitpunkt selbst kaum absehen. Schließlich gab dieses antike Mobiliar den Anstoß zu einer außergewöhnlichen Benefizaktion, an der sich zahlreiche Prominente beteiligten. Gesichter aus Politik, Film, Fernsehen, Kunst, Musik, Comedy und Sport lassen sich mit dem alten Schulstuhl von Wagner ablichten und unterschreiben darauf. Mittlerweile ist zwischen Silbermond, Iris Berben, Mario Gomez, Sigmar Gabriel, Thomas Gottschalk und vielen mehr kaum noch Platz auf dem Gesamtkunstwerk. Wie der Schöppenstedter an all diese bekannten Persönlichkeiten kommt? „Man fragt nett“, antwortet er lachend und ergänzt: „Ich überrede niemanden. Sie machen alle freiwillig mit und das ist großartig!“

Noch bis August läuft die Aktion. Dann wird der von Promiunterschriften verzierte Schulstuhl mitsamt einem Fotobuch, in dem alles dokumentiert ist, in einer Online-Auktion versteigert. Der Erlös kommt der Schule seiner Tochter zugute. Hier findet auch die öffentliche Übergabe des Objekts statt. „Es soll ein großes Schulfest geben mit Livemusik von Schüler- und Lehrerbands“, kündigt der Projektinitiator an. Inzwischen haben sich mehr als 60 bekannte Persönlichkeiten an „Tobis Stuhlprojekt“ beteiligt.

Damit sorgt er auch in der Promiwelt für Aufsehen: „Der Mann mit dem Stuhl!“, begrüßte ihn kürzlich Schauspielerin Jasmin Wagner, die er zufällig bereits zum zweiten Mal im Rahmen seiner Aktion bei einem Termin mit ihrem Bühnenkollegen Guido Hammesfahr traf. Jede Begegnung sei für Tobias Wagner etwas Besonderes. Selbstverständlich gab es dabei für ihn auch persönliche Highlights. Johannes Oerding sei ihm mit seiner offenen und sympathischen Art besonders in Erinnerung geblieben. Den Sänger traf er im Bergtheater Thale.

Und natürlich Uli Stein, den er mit seinem Stuhl sogar zu Hause besuchen durfte. Es sei ein besonderes Erlebnis für Wagner gewesen, als Deutschlands erfolgreichster Cartoonist sich auch noch für seine Arbeit interessierte und sogar um eine Unterschrift in seinem Comic zum Wolfenbütteler Stadtjubiläum bat.

Überhaupt habe ihn das große positive Feedback, auf das Tobias Wagner mit seiner Arbeit wie auch mit seinem Engagement stößt, sehr motiviert: „Viele der berühmten Persönlichkeiten staunen beim Anblick des signierten Stuhls darüber, wer alles schon mitgemacht hat. Wenn du das hörst, dann weißt du, du bist auf dem richtigen Weg.“