Investitionsstau und Personalmangel: Baustelle Krankenhaus
Vielen Kliniken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fehlen Geld, Personal oder Patienten. Wie gravierend sind die Probleme, droht eine Pleitewelle und welche Strategien dagegen gibt es?
Magdeburg/Erfurt/Dresden (dpa) - Die Krankenhauslandschaft in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen steht vor gleich mehreren Herausforderungen: Neben Kliniken mit angespannter Finanzlage herrscht in der Branche Investitionsstau und Personalmangel. "Wir haben viele offene Baustellen", sagt der Chef der sächsischen Krankenhausgesellschaft, Sven U. Langner.
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) fordert vor diesem Hintergrund eine Debatte um Zusammenschlüsse eigenständiger Häuser oder Fusionen, damit zu geringe Patientenzahlen und finanzielle Engpässe nicht zu ungeordneten Entwicklungen oder gar Pleiten führen. "Das ist mit einer tickenden Zeitbombe zu vergleichen." Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält eine stärkere Spezialisierung der Kliniken für notwendig.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Krankenhauslandschaft schon stark verändert: Mehr privatisierte Häuser, weniger Kliniken. In Sachsen gibt es statt 100 Kliniken Anfang der 1990er nur noch 78, in Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl der Standorte im gleichen Zeitraum auf 47 nahezu halbiert, in Thüringen gibt es rund 40 Häuser.
Das heißt aber nicht, dass alles so bleiben kann: In Sachsen sorgt die Ankündigung der Hilfsorganisation Malteser für Unruhe. Sie will aus Kostengründen sechs Kliniken verkaufen, darunter jene in Görlitz und Kamenz in Ostsachsen. Die Landeskrankenhausgesellschaft schätzt, dass jedes zehnte Krankenhaus in einer schwierigen Lage ist. Das Städtische Klinikum Dresden schreibt wiederholt Millionenverluste. Ähnlich sieht es beim Kreiskrankenhaus im thüringischen Greiz aus. Dort soll jetzt ein Sanierer helfen.
Schon Ende 2018 ging der DRK-Krankenhausgesellschaft Thüringen-Brandenburg mit rund 1700 Beschäftigten das Geld aus. Vorigen Sommer wurden schließlich alle vier Standorte in Bad Frankenhausen, Sömmerda und Sondershausen sowie Luckenwalde in Brandenburg vom brandenburgischen Konzern KMG übernommen.
In Sachsen-Anhalt blicken viele gespannt auf den Ausgang der Geldgebersuche für das insolvente kommunale Burgenlandklinikum. Die Klinik im Landessüden soll in wenigen Wochen Gewissheit haben, wem die Gläubiger den Zuschlag geben. Die Entscheidung könnte zum Präzedenzfall werden. Im Rennen um den Zuschlag ist auch das Uniklinikum Halle, das gemeinsam mit dem derzeitigen Eigentümer, dem Burgenlandkreis, übernehmen will. Das sehen manche in der Landespolitik als Chance, andere als Einladung, mit den landeseigenen Unikliniken alle taumelnden Häuser zu retten. Das sind nicht wenige.
"Kliniken mit schwarzen Zahlen sind die absolute Ausnahme statt einer gewünschten Regel", sagte der Chef der sachsen-anhaltischen Barmer-Versicherung, Axel Wiedemann. Daran habe auch der Gesetzgeber beigetragen. Zum einen sollen laut Krankenhausplan alle Standorte bleiben, zum anderen gebe das Land seit Jahren zu wenig Geld für technische Anschaffungen oder nötige Bau- und Sanierungsarbeiten der Kliniken. "Wenn alle wissen, dass das Geld des Landes für Investitionen nicht reicht und trotzdem die existierende Krankenhauslandschaft fortgeschrieben wird, dann ist das nicht okay."
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Grimm-Benne entgegnet, sie wünsche sich eine Debatte über Fusionen und Zusammenschlüsse eigenständiger kommunaler Häuser unter dem Dach einer Holding, könne sie aber nicht vorschreiben. Zudem wisse sie, dass Pauschalen des Landes für Investitionen nicht reichen. Die Ministerin schlägt ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm vor, um weitere 300 bis 400 Millionen Euro aufzunehmen. Der Investitionsstau liegt laut Krankenhausgesellschaft über der Milliarden-Marke.
Auch der Chef der sächsischen Krankenhausgesellschaft, Langner, hält die Krankenhausförderung im Land nicht für ausreichend. Zuletzt waren es knapp 159 Millionen Euro. Zusammenlegungen oder Schließungen von Kliniken hält Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht für notwendig. "Ich sehe Sachsen da nicht an vorderster Stelle, Veränderungen zu leisten", sagte der CDU-Politiker. Wenn es Probleme gebe, dann nur punktuell.
Thüringens Regierungschef Ramelow will auch keine Schließungen, wohl aber eine stärkere Spezialisierung. "Nicht alle Krankenhäuser müssen alle Leistungen für die Patientinnen und Patienten anbieten", sagte der Linken-Politiker. Thüringen arbeitet daran, dass Krankenhäuser auch ambulante Leistungen anbieten können, vor allem um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum abzusichern.
Andere Branchenexperten sehen noch eine andere Baustelle: "Im Wettbewerb um Pflegekräfte und Ärzte können vor allem die kleinen Häuser im ländlichen Bereich nicht mithalten", mahnt Guido Dressel, der die Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in Erfurt leitet. "Wenn die Landespolitik hier nicht gegensteuert, wird es eine wilde Marktbereinigung geben - und diese wird jene Regionen treffen, die auf einen Krankenhausstandort nicht verzichten können."
Erschwerend wirkten die neuen Pflegebudgets des Bundes, sagt der Chef der sächsischen Krankenhausgesellschaft, Langner: Kosten für das Pflegepersonal würden zwischen Klinik und Krankenkassen aufgrund des Bedarfs in den Häusern verhandelt - das bedeute für die Kliniken neue Planungsunsicherheit. Zudem berücksichtigt das Pflegebudget nur Fach-, aber keine Hilfskräfte. "Alle erwarten ein Minus, auch die Ketten", sagt Gesundheitsministerin Grimm-Benne in Magdeburg. "Jetzt geht das große Tauziehen um die Fachkräfte los."