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Austauschjahr Jedes Wochenende in die Sauna

Ein Stendaler Gymnasiast lebt ein Jahr in Finnland und berichtet über das Schulsystem sowie vom Lieblingshobby der Finnen: saunieren.

Von Jakob Tyllack 14.02.2017, 23:01

Lohja (at) l Am 7. August vergangenen Jahres ist Jakob Tyllack bei seiner Gastfamilie in Finnland angekommen. Der 16-jährige Stendaler ist Austauschschüler und mit dem Rotary Jugenddienst in das fremde Land gereist. Da er die Wärme nicht so gerne mag, hat sich Jakob um einen Austauschplatz in den Skandinavischen Ländern beworben – schlussendlich wurde ihm dann Finnland zugeteilt. Was er bisher alles erlebt hat – lest selbst:

„Huomenta“, wecken mich meine finnischen Gasteltern kurz nach 8 Uhr. Und meistens gibt es wirklich einen „Guten Morgen”. Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle. 20 Minuten Busfahrt, 100 Meter zu Fuß – dann bin ich da: in meiner Schule in Lohja, einer Stadt mit 47.000 Einwohnern, 60 Kilometer südwestlich von Helsinki.

Der Unterricht geht für mich um 9.50 Uhr los und endet um 14.40 Uhr. Das variiert von Schüler zu Schüler, da der Stundenplan vom Schüler individuell festgelegt wird. Das finnische Schulsystem ist nämlich ab der Oberstufe kursorientiert und nicht wie in Deutschland nach Klassenstufen eingeteilt. Man besucht am Anfang eine „Einheitsschule“. Erst wenn man 15 Jahre alt ist, trennt man sich und geht für die nächsten drei Jahre entweder auf die „Lukio“ (das finnische Gymnasium) oder auf die Berufsfachschule. Ich besuche das „Lohjan Yhteislyseon lukio“, also das Gymnasium.

Das Schuljahr dort ist unterteilt in fünf Perioden. Am Anfang jeder Periode wählt man seine Fächer neu, am Ende einer Periode legt man eine Prüfung in den Kursen ab. Die Kurswahl ist sehr spezifisch. Ist man nicht gut in Mathe, wählt man zum Beispiel einfach den leichteren Mathekurs. Die Schüler wählen sogar ihre Lehrer. Wer Probleme mit einem bestimmten Lehrer hat, wählt einfach denselben Kurs mit einem anderen Lehrer. Natürlich muss man auch hier eine Mindestanzahl an Kursen belegen. Die Schüler legen auch das Niveau und die Zahl der Wochenstunden fest.

Ich habe großes Glück: Austauschschüler dürfen zwischen allen drei Jahrgängen wählen. Dadurch hab ich eine große Auswahl an Kursen. So habe ich im Moment Mathe, Geschichte, Philosophie, Informatik und Kunst. Diese Periode habe ich auch einen Tanzkurs. Die Zweitklässler haben nämlich „Vanhat”. Dort lernt man verschiedene traditionelle finnische Tänze. Aufgeführt wird das Ganze dann, wenn die Drittklässler die Schule verlassen und die Zweitklässler endlich die Ältesten sind. Interessant ist auch, dass die Mädchen die Jungen fragen, ob sie gerne tanzen wollen. Das liegt daran, dass es viel mehr Mädchen als Jungen an den Schulen gibt.

Das finnische Schulsystem unterscheidet sich also deutlich von dem deutschen Schulsystem. Das ist aber nichts Negatives. Im Gegenteil: Finnland schneidet bei Pisa-Studien deutlich besser ab als Deutschland. Deshalb ist das finnische Schulsystem als eines der besten bekannt.

Meiner Vermutung nach liegt das daran, dass der Schüler viel selbstständiger und eigenverantwortlicher arbeiten muss. Den Lehrern ist es egal, ob man zu spät kommt oder den Unterricht schwänzt, solange man dadurch nicht stört oder man eben nicht zu oft fehlt. Der Schüler ist für sich selbst verantwortlich und wenn man durch die Prüfung fällt, ist man selbst schuld.

Die finnische Sprache ist meiner Meinung nach ziemlich schwierig und ich beherrsche sie noch lange nicht. Es gibt ein paar sehr lustige, aber auch sehr verwirrende finnische Wörter und Sätze. Zum Beispiel gibt es das Wort „Juoksentelisinkohan“, was so viel heißt wie: „Ich überlege, ob ich vielleicht ziellos durch die Gegend laufen soll“. Aber es gibt auch Sätze wie: „Kuusi palaa“. Das hat ganze neun Bedeutungen:

„Die Fichte brennt“, „Die Fichte kommt wieder“, „Die Nummer sechs brennt“, „Die Nummer sechs kommt wieder“, „Sechs von denen brennen“, „Sechs von denen kommen wieder“, „Dein Mond brennt“, „Dein Mond kommt wieder“, „Sechs Stück“.

Finnisch ist eine schöne Sprache. Meine finnischen Lieblingswörter sind „Kahvi“ (Kaffee) und „Sauna“ (Sauna). Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee liegt nämlich bei stolzen zehn Kilogramm pro Jahr in Finnland. Damit führen die Finnen klar die Weltrangliste an. Deutschland liegt mit rund fünf Kilo nur auf Platz acht.

Es gibt nur eine Sache, die die Finnen mehr lieben als Kaffee: Sauna. Die Finnen sind nämlich die Erfinder der Sauna und das merkt man auch. Man geht hier viel mehr saunieren als in Deutschland. Ich gehe zum Beispiel jedes Wochenende, andere fast täglich. Interessant finde ich auch, dass man, wenn man ins Schwimmbad geht, nicht für die Sauna bezahlen muss. Im Gegenteil, es wird darum gebeten, kurz vor und nach dem Baden saunieren zu gehen. Die Finnen gehen übrigens nackt in die Sauna. Wirkliche „Sauna-Regeln“ wie in Deutschland gibt es hier nicht. Nur eins ist klar: „Nicht starren!“ Saunieren und zwischendurch in den Schnee springen kann ich nur empfehlen.

Schnee gibt es hier ein bisschen mehr als in Deutschland. Aber ich lebe ja auch nur im Süden von Finnland. Meine Gasteltern haben mir erzählt, dass es vor ein paar Jahren noch viel mehr Schnee gab, aber durch den Klimawandel kommt der Schnee auch hier immer später und schwächer. Wenn es schneit, stört das die Finnen kaum. „Schneechaos“ wie in Deutschland gibt es hier eigentlich nicht. Die Straßen sind am Morgen schneefrei und Schneeschieber fahren stündlich durch die Straßen. Die Busse sind trotz stärkerem Schnee immer pünktlich.

Alles in allem mag ich Finnland sehr, trotz Sprachschwierigkeiten. Die Menschen sind sehr nett, wenn auch etwas schüchtern. Ich kann nur empfehlen, Finnland einmal zu besuchen.