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Gequält, geschlagen, erniedrigt / Landgericht verurteilt vier junge Männer Jugendkammer: Zwischen Geldstrafe und Gefängnis

Von Bernd Kaufholz 19.07.2011, 04:35

Vier junge Männer sind gestern Abend vom Landgericht Magdeburg zu Strafen zwischen drei Jahren und neun Monaten Haft sowie einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro verurteilt worden. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, im Sommer 2008 einen 21-Jährigen in Magdeburg misshandelt, zum Diebstahl gezwungen und vier Wochen lang gequält zu haben.

Magdeburg. Der Hauptangeklagte Tobias S. (25) hatte bis zur letzten Minute des achten und letzten Prozesstages versucht, die 2. Große Strafkammer milde zu stimmen. Wohl wissend, dass er mit 17 Eintragungen im Bundeszentralregister zum ersten Mal innerhalb seiner kriminellen Karriere schlechte Karten haben würde.

Gestern hatte er sogar seine schwangere Freundin mitgebracht und dem Gericht angeboten, dass es sich selbst ein Bild macht, wie sich sein Leben geändert habe. Doch der Vorsitzende Richter, Hans-Michael Otto, lehnte das Angebot dankend ab und verurteilte Tobias S. unter Einbeziehung diverser Vorstrafen - unter anderem wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung - zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Allerdings gewährte die Kammer dem Haupttäter wie allen vier Angeklagten "Strafrabatt". Der Grund ist die Dauer von drei Jahren zwischen Tat und Prozessbeginn, für die die Täter nicht verantwortlich sind. Rechtsanwalt Tobias Ellrott in seinem Plädoyer dazu: "Wo bleibt da der Erziehungsgedanke?"

In der Drogenszene

Staatsanwältin Barbara Schulte-Frühling hatte das Quartett, das zum Tatzeitpunkt in Magdeburg gewohnt hatte, angeklagt, weil es sich einen schwachen jungen Mann zum Opfer auserkoren hatte. Allerdings steckte auch Tim - wie die Angeklagten - bis über beide Ohren in der Magdeburger Drogenszene. Was jedoch, so das Gericht, in keiner Weise ein Freibrief für die Angeklagten gewesen sei, ihn dermaßen zu quälen, zu schlagen, mit Messern zu verletzen, zum Urintrinken zu zwingen und unter Androhung von körperlicher Gewalt auf Diebestour zu schicken, um Geld für ihren Drogenkonsum zu bekommen.

Allerdings sah die Jugendkammer unterschiedliche Tatbeteiligungen. Und nicht nur das: Sie rechnete Patrick K. (24) und Norman A. (27) zudem an, dass sie während des Hauptverfahrens Mitgefühl mit Tim gezeigt und sich bei ihm "ehrlichen Herzens" entschuldigt hatten.

Aufgrund dieser Tatsachen kam jeder der beiden auch mit einem blauen Auge davon. A. wurde wegen Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro (minus 400 Euro Rabatt) verurteilt und K. wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Haftstrafe von einem Jahr - ausgesetzt zur Bewährung (minus drei Monate).

Der vierte im Bunde - Florian B. - wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt (minus zwei Monate), die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Bei allen Angeklagten hatte das Gericht mildernd angerechnet, dass sie einige der Straftaten im Drogenrausch begangen hatten. Also vermindert schuldfähig waren.

"Unschönes Verhalten"

Der Vorsitzende Richter sprach in seiner Urteilsbegründung von "sehr, sehr unschönem Verhalten" der Angeklagten, das nicht "kleingeredet" werden dürfe. Otto verwies in diesem Zusammenhang auf die psychischen und physischen Schäden, die das 21 Jahre alte Opfer erlitten hatte.

Tim kann sich bis heute nicht in einer größeren Menschengruppe aufhalten, hat aufgrund seiner seelischen Erkrankung mehrere Ausbildungen nicht abschließen können. Zudem leidet er unter Phantomschmerzen in der Hand. Er befindet sich in psychologischer Behandlung.